Typische Fallstricke und wie Sie diese umgehen
Haben Sie den richtigen Partner für ein Joint Venture (JV) in Indien gefunden und mit diesem eine vertrauensvolle Basis geschaffen, indem Sie mit ihm ein Term Sheet oder Memorandum of understanding (MoU) verhandelt und unterschrieben haben? Dann werden typischerweise Ihre Anwälte sowie die Anwälte Ihres JV-Partners akribisch am nächsten Step, dem Joint Venture Vertrag arbeiten. Alle wesentlichen Aspekte der Zusammenarbeit sollten zu diesem Zeitpunkt durch das Term Sheet bzw. das MoU bereits geklärt sein.
Typische Fallstricke und Tipps
Stellen Sie sich als europäischer Vertragspartner jedoch auf diese 10 Fallstricke ein:
1. Bedenken Sie, dass ein Joint Venture in Indien in der gelebten Realität immer ein indisches Unternehmen ist (Siehe Blogbeitrag: Warum Inder immer nur das eine wollen: das Joint Venture – Dr. Wamser + Batra) . Sie sind nicht vor Ort und Ihr indischer Partner hat die Informationshoheit, das Netzwerk und die tatsächlichen Möglichkeiten, Ihnen das Leben und den geschäftlichen Erfolg im worst case schwer zu machen. Folglich sind Sie auf dessen Kooperationsbereitschaft angewiesen, egal was der JV-Vertrag in der Theorie regelt. Es gibt jedoch Möglichkeiten, wie Sie die Kontroll- und Steuerungsmöglichkeiten des JV von vornherein zielführend aufsetzen können (vgl. Pkt 6).
2. Unter dem Einfluss der beteiligten Anwälte – insbesondere indischen – wird im JV-Vertrag oftmals der Fokus auf immaterielle Aspekte gelenkt oder unnötig überfrachtet. Halten Sie den JV-Vertrag kurz. Die Neigung indischer Anwälte zur (scheinbaren) Regelung sämtlicher Worst-Case-Szenarien verwässert die wichtigen Vereinbarungen und ebnet oftmals den Weg zu späteren unnötigen Grabenkämpfen. Ein JV ist nur so lange erfolgreich, wie die beteiligten Parteien die Zusammenarbeit als gegenseitig förderlich erachten – ähnlich einer Ehe. Treten zu viele Unstimmigkeiten auf, helfen auch vertragliche Regelungen wenig, es sei denn, es sind klare und pragmatische “dispute resolution” und Exit Regeln vereinbart.
3. Bereits verhandelte und im Term Sheet verbindlich geregelte Vereinbarungen, werden von Ihrem indischen JV-Partner oder dessen Anwälten während der JV-Vertragsverhandlungen plötzlich wieder zur Diskussion gestellt. Er bricht damit mit einem Prinzip, das aus Sicht europäischer Verhandlungspartner wesentliche
Geschäftsgrundlage dafür ist, Zeit und Aufwand in die Verhandlungen mit dem Partner effizient zu investieren. Hier ist eine klare, konsequente Reaktion erforderlich, bis hin dazu, bei wesentlichen Punkten freundlich, aber bestimmt, die Verhandlungen zumindest zeitweilig zu unterbrechen.
4. Vermeiden Sie möglichst von vornherein Interessenskonflikte zwischen den JV-Partnern. Um beispielsweise zu erkennen, ob Ihr Partner im Innenverhältnis marktgerechte Preise, z.B. für administrative Aufgaben, Raummieten, Personalüberlassung o.Ä. fakturiert, ist es wichtig, Benchmarkpreise zu kennen und vertragliche Möglichkeiten zu etablieren, solche zu überprüfen. Auch der frühzeitige Aufbau von eigenen Strukturen und Assets im JV selbst ist wichtiger Bestandteil zur Vermeidung von Konflikten.
5. Halten Sie vertraglich fest, wer von Ihnen tatsächlich welche materiellen und immateriellen Vermögensgegenstände, z.B. Know-how, Patente, Markennamen, OEM-Zertifizierungen o.Ä. in das JV einbringt, und diese nicht nur „zur Verfügung stellt“, d.h. zu möglicherweise unklaren oder ungünstigen Bedingungen dem Joint Venture gegen Bezahlung überlässt. Schaffen Sie zudem ein gegenseitiges Verständnis dafür, dass Einbringungen gegen Bezahlung durch das JV, z.B. die Miete einer Halle Ihres indischen JV-Partners, keine wirkliche Einbringung eines Vorteils darstellt, da Sie diese Leistung jederzeit auch am freien Markt abrufen können. Auch die Einbringung angeblicher Vertriebs-, Einkaufs- oder Fertigungs-Netzwerke sollte einer vorherigen Due Diligence unterworfen werden.
6. Schaffen Sie ein enges Netz interner Kontrollen mit entsprechenden Kennzahlen (KPIs) etc. auf Grundlage der in Ihrem Konzern geläufigen Prinzipien und Regelungen sowie der in Indien zielführenden Prinzipien und Regelungen. Ohne ein System kontinuierlicher Kontrollen werden Unregelmäßigkeiten in der Regel zu spät festgestellt, mit oftmals gravierenden Folgen (siehe Blogbeitrag: Woran Joint Ventures in Indien wirklich scheitern – Dr. Wamser + Batra). Treffen Sie deshalb auch klare Vereinbarungen zum späteren Berichtswesen. Immer wieder erleben ausländische Unternehmen böse Überraschungen, weil die indische Seite zwar die im Companies Act geforderten Finanzdaten teilt, im Reporting aber weitere für Sie wesentliche Unternehmenszahlen vorenthalten werden. Die tatsächliche Performance Ihres gemeinsamen Unternehmens wird für Sie dann in der Realität eine Blackbox.
7. Achten Sie bei Verwaltungsleistungen darauf, dass kein ungewolltes Cash-Pooling entsteht. Immer wieder beobachten wir, dass der freie Cashflow vom JV-Partner dazu genutzt wird, zinslose Darlehen beim JV für Partikularinteressen zu nehmen. Diese Darlehen werden in der Regel zwar wieder zurückgeführt, jedoch gewährt sich der JV-Partner damit ungefragt einen zinslosen Kredit, dessen Geldwert er Ihnen, z.B. in Form von Vorzugsdividenden, vergüten müsste. Zudem trägt das JV dann das Insolvenzrisiko im Hinblick auf den Kredit. Auch dies zeigt, weshalb eine sorgfältige Due Diligence bei der Partnerauswahl und laufende Kontrollen so immens wichtig sind.
8. Auch wenn es zunächst paradox klingen mag, ist eine klare Exit-Strategie die Lebenslinie eines jeden JV in Indien, und sollte daher auf jeden Fall in den JV-Vertrag aufgenommen werden. Wie bereits zum Thema Term Sheet ausgeführt, sollte insbesondere ein klarer und unmissverständlicher „dispute resolution mechanism“ sowie ein „JV dissolution mechanism“ geregelt sein, also unter welchen Umständen und an welchem Punkt Sie und Ihr indischer Partner auseinandergehen wollen, und wie die entsprechenden Modalitäten aussehen sollen; ebenso sollte ggf. ein wechselseitiges Vorkaufsrecht eingeräumt werden. Ein starkes Recht zum Ausstieg ebnet häufig leichter den Weg zu einer Einigung bei Unstimmigkeiten als ausgefeilte Regelungen, die im Vorhinein aus der dann herrschenden und naturgemäß begrenzten Vorstellung entwickelt wurden.
9. Auftretende Unstimmigkeiten zwischen Ihnen und Ihrem indischen JV-Partner können massive zeitliche Verzögerungen zur Folge haben, die Ihre Energie und Ihr Geld kosten und die strategische Entwicklungsmöglichkeiten lähmen. Die klare Identifikation der Stakeholder im indischen JV sowie der Aufbau einer Vertrauensbasis mit diesen Personen über eine kontinuierliche Kommunikation, wird wesentlich zum dauerhaften Erfolg des JV beitragen.
10. Analog den für steuerliche Gewinne bei grenzüberschreitenden konzerninternen Geschäften ab einem gewissen Volumen erforderlichen Transferpreisdokumentation, kann eine entsprechende Geschäftsverteilungsmatrix auch für das JV auf vielen Ebenen hilfreich sein.
Gerne stehen wir Ihnen bei Fragen zum Thema eines langfristig zielführenden Joint Venture set-ups in Indien zur Verfügung.
Wir suchen mit Ihnen den für Ihre Bedürfnisse passenden JV-Partner, wir helfen Ihnen bei der Kommunikation und der Vereinbarung des Term Sheets und wir begleiten Sie selbstverständlich auch bei der Verhandlung und beim Abschluss des JV-Vertrags sowie bei der anschließenden Erstellung der Statuten des indischen Joint Ventures und dessen Gründung.
Und sollte Ihr bereits bestehendes Joint Venture aufzulösen sein, so stehen wir Ihnen auch in dieser Situation mit unserer vollen Erfahrung und zeitnahen, pragmatischen Lösungen zur Seite.
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