Welche Unternehmensform ist für meinen Markteintritt in Indien die richtige?
Sie möchten zunächst testen, ob Indien für Ihr Unternehmen überhaupt der richtige Markt ist? Sie führen in Indien ein spezifisches Infrastrukturprojekt durch und benötigen dafür eine Rechtsform? Oder streben Sie einen langfristigen Vertrieb Ihrer Produkte auf dem indischen Markt an?
Für verschiedene Geschäftstätigkeiten bietet Indien ausländischen Unternehmen verschiedene gesellschafsrechtliche Unternehmensformen an [siehe Blogbeitrag: Liaison Office].
Für zeit- oder inhaltlich begrenzte wirtschaftliche Aktivitäten sind das Liaison Office (LO), das Branch Office (BO) und das Project Office (PO) die gängigsten Rechtsformen, für längerfristige und wirtschaftlich umfangreichere Tätigkeiten bietet sich die Private Limited Company (Pvt. Ltd.), ähnlich einer deutschen GmbH, an.
1. Liaison Office (LO)
Ein Liaison Office ist eine günstigere Präsenzform für ausländische Unternehmen in Indien, da die Betriebskosten, z.B. aufgrund eines geringeren Verwaltungsaufwandes, niedriger sind. Als reines Verbindungs- und Kontaktbüro zwischen dem ausländischen Unternehmen und dem indischen Markt dient es allein der Marktsondierung und Informationsgewinnung. Es ist finanziell vollständig vom ausländischen Mutterunternehmen abhängig, unternimmt selbst keine wirtschaftlichen Aktivitäten und erzielt auch kein Einkommen, ist also eine reine Kostenstelle. Nicht nur der geringere Compliance-Aufwand, sondern insbesondere die Vermeidung einer nicht registrierten steuerlichen Betriebsstätte sind wesentliche Vorteile. Auch der zeitliche und finanzielle Aufwand für die Schließung eines LO ist überschaubarer, sollten sich die strategischen Erwägungen des Mutterkonzerns ändern. Ein LO erfordert die Genehmigung der Reserve Bank of India (RBI), welche auf 5 Jahre begrenzt ist, jedoch verlängert werden kann.
In der Praxis stellt sich nach unserer langjährigen Erfahrung häufig das Problem, dass Unternehmen mit dem LO schneller an ihre Grenzen stoßen als bei dessen Gründung gedacht. So dürfen im Rahmen des LOs z.B. keine Produktmuster an Kunden verteilt oder lokale Mitarbeiter zur Installation oder Inbetriebnahme einer Anlage eingesetzt werden.
Ebenso ist die Umwandlung des LOs in eine andere Unternehmensform nicht möglich, falls doch ein umfangreicheres wirtschaftliches Engagement gewünscht werden sollte. Nach unserer Erfahrung lohnt sich ein LO in der Regel daher insbesondere für spezielle Fälle wie z.B. öffentliche Institutionen, Fernseh- und Rundfunkanstalten, Hochschulen, Verbände o.ä.
2. Branch Office (BO)
Ein Branch Office, die klassische (Zweig-)Niederlassung, ermöglicht eine direkte Marktpräsenz. Das BO darf in Indien Einnahmen erzielen durch Geschäftsaktivitäten wie Vertrieb, Erbringung von Dienstleistungen (z.B. für IT-Unternehmen) oder Handel, sofern diese mit den Geschäftszwecken des Mutterunternehmens übereinstimmen. Die Eröffnung eines BO erfordert ebenfalls die Genehmigung der RBI und ist auch mit spezifischen Anforderungen verbunden, wie etwa der Offenlegung des Geschäftszwecks und der Jahresabschlüsse des Mutterunternehmens. Es wird in der Regel für eine festgelegte Dauer (z. B. 3-5 Jahre) genehmigt, ggf. muss eine Verlängerung beantragt werden.
Ein BO unterliegt strengeren Compliance-Anforderungen. Es ist in Indien steuerpflichtig auf alle in Indien erzielten Einkünfte. Erzielte Gewinne sind i.d.R. an das Mutterunternehmen in Form von Dividenden oder Gewinnausschüttungen gebunden, was in der Praxis oft mit regulatorischen Hürden verbunden ist.
3. Project Office (PO)
Ein Project Office wird ausschließlich für die Durchführung eines spezifischen Projekts in Indien eingerichtet und ist daher ideal für Unternehmen, die temporär Bau- oder Infrastrukturprojekte betreiben. Es erfordert die Genehmigung der RBI, die an bestimmte Bedingungen geknüpft ist (z.B. gesicherter Vertrag mit einem indischen Unternehmen zur Projektdurchführung, Projektfinanzierung aus dem Ausland etc.) und unterliegt der vollen Steuerpflicht in Indien.
4. Private Limited Company (Pvt. Ltd.)
Eine Pvt. Ltd. ist eine eigenständige juristische Person mit einer Haftungsbeschränkung für ihre Gesellschafter, zu vergleichen mit einer deutschen GmbH [siehe Blogbeitrag: Private Limited Company]
Eine Pvt. Ltd. darf in Indien jede Art von Geschäftstätigkeit ausüben, die nicht ausdrücklich durch das indische Recht oder die indischen Behörden eingeschränkt wird. Sie hat volle Geschäftsfähigkeit und kann sich an gewinnorientierten Unternehmungen beteiligen. Eine Pvt. Ltd. unterliegt sämtlichen indischen Steuervorschriften, sie muss zwingend jährlich von einem Wirtschafts- bzw. Abschlussprüfer (dem indischen “Statutory Auditor”) geprüft werden und anschließend entsprechende Steuererklärungen abgeben.
Ihre Gewinne können unter gewissen Umständen an die Anteilseigner (“Shareholder”) – in Form von Dividenden – ausgeschüttet werden. Diese Dividendenzahlungen unterliegen immer der indischen Quellensteuer.
Eine Pvt. Ltd. hat eine unbefristete Lebensdauer und ist auf langfristige Investitionen und kontinuierliches Wachstum ausgelegt. Sie kann sich leichter an sich verändernde Marktbedingungen anpassen; das Unternehmen kann seine Aktivitäten also erweitern oder ändern, ohne die rechtliche Struktur neu erstellen zu müssen.
Die Gründung einer Pvt. Ltd. verursacht höhere Kosten als die vorgenannten Unternehmensformen. Als deutlich größeres “Commitment zu Indien” hat es dafür selbstredend eine weitaus größere Akzeptanz bei Geschäftspartnern als die vorstehend beschriebenen Unternehmensformen.
ÜBERSICHT zu den unterschiedlichen Office Arten:
Unternehmensform | Liaison Office | Branch Office | Project Office | Private Limited Company |
Inhalt | Repräsentanz | unselbstständige Zweigniederlassung | Projektbüro | selbstständige Unternehmenstochter |
Eignung für | Marktsondierung, Networking, Verbindung | Vertrieb, Service, Handel | spezifische Projekte | umfassende Geschäftstätigkeit, längerfristiges Engagement |
Vorteile | geringere Kosten, flexibler Rückzug | direkte Marktpräsenz, Einnahmen möglich | schnelle Abwicklung von spezifischen Projekten | umfassende Geschäftstätigkeit mit Haftungsschutz |
Nachteile | keinerlei wirtschaftliche Aktivitäten erlaubt | strengere Compliance, steuerliche Belastung | zeitlich begrenzt | höhere Gründungskosten, höhere regulatorische Auflagen |
Rechtliche Entität | nein | ja | ja | ja |
Geschäftstätigkeit | nein | ja | ja, projektbezogen | ja |
Haftung | nicht relevant | unbeschränkt | unbeschränkt | beschränkt |
Gründungskosten | niedrig | mittel | mittel | hoch |
Regulatorische Anforderungen | gering | mittel | mittel | hoch |
Lebensdauer | 5 Jahre, Verlängerung möglich | 3-5 Jahre, Verlängerung möglich | limitiert auf Projektlaufzeit | unbegrenzt |
Steuerpflicht | nein | ja | ja | ja |
Kapitalbeschaffung | nicht relevant | eingeschränkt | Projektfinanzierung aus dem Ausland | umfassend, inkl. Investoren und Krediten |
Flexibilität | eingeschränkt | eingeschränkt | gering, projektgebunden | hoch |
Zeitraum bis zur operativen Tätigkeit | kurz | mittel | kurz | länger |
Aufwand bei Schließung | gering | moderat | mittel | hoch |
Marktwahrnehmung | schwache Präsenz | solide Präsenz | projektbezogene Wahrnehmung | starke Marktpräsenz |
Fazit
Die Wahl der geeigneten Unternehmensform in Indien hängt von den spezifischen Zielen und Anforderungen Ihres Unternehmens ab. Während Liaison Offices insbesondere für lokales Networking und den Aufbau von Verbindungen geeignet sind, offerieren Branch Offices und Project Offices Möglichkeiten zur direkten Geschäftstätigkeit. Private Limited Companies hingegen bieten umfassende Vorteile hinsichtlich der erlaubten Geschäftstätigkeiten und Aktivitäten in Indien. Der bessere Haftungsschutz und eine größere Flexibilität bei der Kapitalbeschaffung gehen jedoch mit höheren Verwaltungskosten und umfassenderen regulatorischen Anforderungen einher.
Wir überlegen gerne gemeinsam mit Ihnen, welche Unternehmensform für Ihren Start in Indien die richtige ist. Melden Sie sich gerne unverbindlich bei uns.