Freiwillige Liquidation und Striking-Off: Zwei Möglichkeiten für einen Indien Exit
I. Mögliche Gründe für einen Indien Exit und dessen Schwierigkeiten
Indien steht im Zentrum der globalen Wirtschaft, und zahlreiche Unternehmen erweitern ihre Präsenz im Land. Dennoch verläuft nicht jedes Engagement erfolgreich, sodass einige Unternehmen nach Jahren der Erfolglosigkeit erwägen, Indien vorübergehend oder dauerhaft zu verlassen. Andere wiederum sind so erfolgreich, dass bestehende Strukturen nicht mehr passen und Geschäftsmodelle angepasst werden müssen. Auch Übernahmen durch Investoren mit bereits bestehenden Strukturen in Indien oder der Erwerb von Unternehmen mit überflüssigen indischen Niederlassungen können Gründe für eine Schließung sein.
Unabhängig vom Anlass stellt sich die Frage, wie Unternehmen ihre aktuelle Präsenz in Indien beenden können [Siehe: „Exit Strategie Indien“ https://www.wb-indien.de/exit-2/]
Bis vor wenigen Jahren war dies in der Praxis ein nahezu aussichtsloses Unterfangen. Hohe Kosten und ein Zeitaufwand von bis zu zehn Jahren oder mehr führten dazu, dass viele in- wie ausländische Gesellschafter ihre Niederlassungen in Indien einfach verwaisen ließen. Daraus resultierten tausende „Geisterunternehmen“ im indischen Handelsregister, die das Ministry of Corporate Affairs durch „Aufräumaktionen“ sukzessive entfernt.
II. Wichtige Reformen im indischen Gesellschaftsrecht zur Erleichterung des Marktaustritts
Erst mit Modernisierungsmaßnahmen des indischen Gesellschaftsrechts seit 2013 wurden Schritte unternommen, um den Marktaustritt zu erleichtern. Die Einführung des Insolvency and Bankruptcy Code (IBC) im Jahr 2016 markierte einen ersten bedeutenden Wendepunkt. Dieser Kodex standardisierte und beschleunigte Insolvenzverfahren. Zudem wurden in den letzten beiden Jahren die Anforderungen an Unbedenklichkeitsbescheinigungen (No Objection Certificates, NOCs) reduziert, um den Prozess zu vereinfachen. Diese Reformen haben den Weg für effizientere Unternehmensschließungen in Indien geebnet.
III. Zwei Möglichkeiten für einen Exit: Voluntary winding up und Striking off
In Indien stehen Unternehmen nun zwei Hauptwege zur Verfügung, um ihre Geschäftstätigkeit zu beenden: die freiwillige Liquidation (voluntary winding up) und die Streichung aus dem Register (striking off). Beide Verfahren unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Prozesse, Vorteile, Nachteile und Kosten.
1. Freiwillige Liquidation (Voluntary Winding Up)
Prozess:
- Beschlussfassung: Die Gesellschafter beschließen formell die Auflösung der Gesellschaft.
- Ernennung eines Liquidators: Ein qualifizierter Liquidator wird eingesetzt, um den Abwicklungsprozess zu leiten.
- Begleichung von Verbindlichkeiten: Der Liquidator verkauft Vermögenswerte und verwendet die Erlöse zur Tilgung aller Schulden.
- Verteilung des Restvermögens: Verbleibende Mittel werden gemäß den Anteilen unter den Gesellschaftern verteilt.
- Antrag beim NCLT: Ein Antrag auf Auflösung wird beim National Company Law Tribunal (NCLT) eingereicht.
Aktuelle Änderungen:
Im Jahr 2024 wurden bedeutende Reformen eingeführt, um den Liquidationsprozess zu beschleunigen:
- Wegfall der Unbedenklichkeitsbescheinigungen (No Objection Certificates, NOCs): Früher waren NOCs von verschiedenen Behörden erforderlich, was den Prozess verzögerte. Mit der Reform sind diese Bescheinigungen nicht mehr notwendig, was den Ablauf vereinfacht.
- Beschleunigte Entscheidungsfindung des NCLT: Das NCLT ist nun verpflichtet, innerhalb von 180 Tagen über Liquidationsanträge zu entscheiden. Dies zielt darauf ab, den gesamten Prozess effizienter zu gestalten. Dennoch können komplexe Fälle länger dauern, etwa wenn steuerrechtliche Sonderprüfungen erforderlich sind.
Vorteile:
- Rechtliche Klarheit: Eine ordnungsgemäße Abwicklung stellt sicher, dass alle Verbindlichkeiten beglichen und rechtliche Verpflichtungen erfüllt werden.
- Gläubigerschutz: Gläubiger haben die Möglichkeit, ihre Ansprüche geltend zu machen.
- Persönliche Haftungsfreistellung: Nach Abschluss der Liquidation sind die Direktoren und Gesellschafter in der Regel von weiteren Haftungsansprüchen befreit.
Nachteile:
- Zeitlicher Rahmen: Obwohl das NCLT nun innerhalb von 180 Tagen entscheiden soll, kann der gesamte Prozess je nach Komplexität der Gesellschaft und ihrer Vermögenswerte deutlich länger dauern. Faktoren wie die Veräußerung von Vermögenswerten oder unerwartete rechtliche Hindernisse (z. B. Sonderprüfungen der Steuerbehörden) können zusätzliche Zeit in Anspruch nehmen.
- Kosten: Es entstehen Ausgaben für den Liquidator, rechtliche Beratung und administrative Gebühren.
2. Streichung aus dem Register (Striking Off)
Prozess:
- Antragstellung: Die Gesellschaft stellt beim Registrar of Companies (RoC) einen Antrag auf Streichung.
- Voraussetzungen: Die Gesellschaft darf in den letzten 24 Monaten keine Geschäftstätigkeit ausgeübt haben und keine laufenden Verbindlichkeiten besitzen.
- Bekanntmachung: Eine öffentliche Mitteilung wird veröffentlicht, um Einwände von Dritten zu ermöglichen.
- Streichung: Ohne Einwände wird die Gesellschaft aus dem Register entfernt.
Vorteile:
- Einfachheit und Kostenersparnis: Der Prozess ist weniger komplex und kostengünstiger als eine vollständige Liquidation.
Nachteile:
- Beschränkungen: Aktive oder kürzlich aktive Gesellschaften sind für dieses Verfahren nicht qualifiziert.
- Restverbindlichkeiten: Unentdeckte Schulden können nach der Streichung zu rechtlichen Problemen führen.
Kosten:
Die genauen Kosten variieren je nach spezifischen Umständen der Gesellschaft und den anfallenden Gebühren für Fachleute wie Anwälte und Wirtschaftsprüfer. Allgemein ist die freiwillige Liquidation aufgrund des umfassenderen Prozesses kostspieliger als die Streichung aus dem Register.
Fazit
Die Wahl zwischen freiwilliger Liquidation und Streichung hängt von den spezifischen Umständen der Gesellschaft ab, einschließlich ihrer Aktivität, Vermögenswerte und Verbindlichkeiten. Die jüngsten Reformen zielen darauf ab, den Liquidationsprozess „Winding Up“ zu beschleunigen und zu vereinfachen. Es ist jedoch ratsam, eine individuelle Betrachtung vorzunehmen, um den optimalen Weg für die Auflösung der Gesellschaft zu bestimmen.
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