Nun wurde am 1. Juli 2017 – mit der Einführung der Goods and Services Tax (GST) – die größte Steuerreform seit der Unabhängigkeit Indien umgesetzt.

Was wurde im Vorfeld von Medien und Beratern alles geschrieben und gewarnt…?!

Die Ruhe nach dem Sturm

Das prognostizierte Chaos blieb diesmal (fürs erste) allerdings aus. Die Deutschsprachigen Medien berichteten mit der Ausnahme, dass Kinos in Tamil Nadu aus Protest gegen Steuererhöhungen für einen Tag geschlossen blieben, gar nicht mehr über die indische Steuerreform. Aber auch die indischen Medien meldeten „keine besonderen Vorkommnisse“ und ohne die gewohnte Sensationslust.

Der Übergang und die Einführung der GST läuft (nicht nur) für indische Verhältnisse äußert ruhig und geordnet ab. Auf Nachfrage bei mehreren CFOs und Chartered Accountants vor Ort wird von einer Umstellung „wie jeder anderen“ gesprochen. Natürlich gäbe es noch kleinere Probleme und Verbesserungspotentiale bei den Prozessen und digitalen Systemen der indischen Steuerbehörden.

Diejenigen Unternehmen, die sich aktuell auf die GST rausreden und Probleme beklagen, haben in der Regel in der Vergangenheit getrickst und jetzt akuten Erklärungs- und Änderungsbedarf. Das hat aber nur indirekt etwas mit der Goods and Services Tax zu tun.
Aber von großer Unklarheit oder Chaos ist im Markt bei weitem nicht die Rede. Die Panikmache vieler Pandits war also umsonst.

Vorsteuerabzug (Refund Process) noch nicht perfekt gelöst

Die meisten Fragen und größten Bedenken gibt es noch beim Thema Vorsteuerabzug. Denn der Kunde kann nur dann die GST als Vorsteuer in Abzug bringen, wenn sie sein Lieferant auch wirklich abgeführt hat. Dazu müssen Leistungsempfänger UND Leistungserbringer die ordnungsgemäße Mehrwertsteuer-Rechnung auf das Finanzportal der Steuerbehörde hochladen.

Dieser Prozess ist aber auch schon im Vorfeld mehrfach kritisiert worden und dürfte in den kommenden Jahren wohl auch nochmals überdacht und überarbeitet werden.

Deutlich mehr Transparenz und stringentere Prozesse

Nichtsdestotrotz führt just dieser Prozess signifikant zu mehr Transparenz zu Gunsten der Kunden. Denn ab sofort müssen alle Produkte und Dienstleistungen mit ihrem spezifischen Steuersatz einzeln auf der Rechnung ausgewiesen werden. Das war in Indien bis jetzt nicht selbstverständlich beziehungsweise üblich.

Die GST katapultiert die indische Wirtschaft jedenfalls ins 21. Jahrhundert. Das indische Steuersystem bewegt sich klar „Richtung Europa“. Die Systeme werden professioneller und folgen nun internationalen Standards.

Das ist insbesondere für europäische Unternehmen ein Vorteil, die in Indien geschäftlich aktiv sind. Denn sie profitieren nicht nur vom Mehr an Transparenz und dem Wegfallen von „traditionellen indischen Shortcuts“, sondern vor allem davon, dass wir derartige Steuersysteme bereits seit Jahrzehnten nutzen und diese daher verstehen. In der inneren Logik folgt die indische GST nämlich den gleichen Grundsätzen wie die Mehrwertsteuer in Deutschland. Gerade deshalb gibt es in Indien nichts zu befürchten, wenn man sich auch in Indien an die uns bekannten Grundsätze hält.

Daher gibt es in den meisten Unternehmen, aus unserer Sicht, grundsätzlich keinen Bedarf für GST-spezifische Beratungsleistungen. Jene, die etwas anderes vermitteln und teure Beraterstunden verkaufen wollen, verfolgen unter dem Vorwand der GST ausschließlich eigene geschäftliche Interessen.

GST bringt allen Vorteile

Aus unserer Sicht ist die GST ein Glücksfall für all jene, die sich schon jetzt an die Regeln hielten und „fair-play“ spielten. Denn jetzt sind auf einmal alle zu Steuerehrlichkeit gezwungen. Auf lange Sicht werden alle Unternehmen von dieser neuen Transparenz, und der Vereinfachung von Verwaltung (inklusive Bürokratieabbau) und Logistik profitieren, was zu besseren Gewinnmargen und höhere Profitabilität führen wird.

Darüber hinaus profitiert natürlich auch noch der indische Staat, der seine Steuerbasis erweitert und das Land endlich zu einem einheitlichen Wirtschaftsraum zusammenführt.

Wie geht es weiter mit der GST?

Soweit die erste Bestandsaufnahme – zwei Wochen nach Einführung der Goods and Services Tax in Indien.

Beim ersten Monatsabschluss inklusive „Umsatzsteuervoranmeldung“ wird es dann allerdings nochmals spannend, ob und wie der Refund-Prozess funktioniert.

Wir halten Sie hier weiterhin über potentiell aufkommende Probleme, Anpassungen und „Best Practices“ zur GST Indien weiterhin auf dem Laufenden.