Indienexperte Dr. Wamser, Geschäftsführer der Dr. Wamser + Batra GmbH, über Immobilien in Indien.

Die aktuelle Grundstückssituation Indiens stellt sich als problematisch dar; kurz: Die Verfügbarkeit an Grundstücken ist in der Regel gering und die Preise auf einem auch im internationalen Vergleich durchaus sehr hohen Niveau.

Die Größe des Subkontinents mag zwar einen Außenstehenden dazu verleiten, anzunehmen, dass die Verfügbarkeit an Grundstücken in Indien quasi „unendlich“ sei, in der Realität aber ist sie sehr gering. Dieses hat folgende Gründe:

Flächennutzungsplanung: keine gewerblichen Nutzungen für viele Immobilien

Zwar ist der Großteil Indiens nach wie vor unbebaut und unerschlossen, also sind zumindest theoretisch extrem viele potenzielle Grundstücke vorhanden. Allerdings handelt es sich hierbei meistens um a) unklassifiziertes oder b) als „landwirtschaftliche Fläche“ klassifiziertes Land.

Die indische Flächennutzungsplanung erlaubt dabei keine Ansiedlung von industriellen / gewerblichen Nutzungen auf entsprechend nicht oder anders klassifizierten Grundstücken. Zwar kann eine „Umklassifizierung“ vorgenommen werden, der zeitliche Aufwand ist dabei aber dabei oftmals unplanbar und der Ausgang extrem ungewiss. Kurz: Ein solches Grundstück zu kaufen ist nach wie vor mit großen zeitlichen und finanziellen Risiken für den Käufer verbunden. So ist es  in der Vergangenheit in Indien tatsächlich häufig vorgekommen, dass gekaufte Grundstücke nicht für die vorgesehene Nutzung zugelassen wurden und damit für den Käufer praktisch wertlos wurden oder eine Verzögerung des gesamten Projektes von mehreren Jahren entstand, da nicht mit dem Bau der Fabrikhalle begonnen werden konnte.

Daher sind es oftmals die gerade „preisgünstigen“ Angebote, bei denen das entsprechende Klassifizierungsproblem auftauchen könnte. Besonders deutsche Unternehmen erleben hier oftmals unerwünschte Überraschungen, weil sie vor dem Kauf des Grundstückes nicht von dem Verkäufer darauf hingewiesen wurden, dass es sich bei dem Grundstück um landwirtschaftliche Fläche handelt. Hier liegt im Übrigen die unterschiedliche Rechtsauffassung zugrunde: Der „Caveat emptor“ des angelsächsischen Recht entstammende Grundsatz führt beispielsweise zur Notwendigkeit einer Due Dilligence vor Erwerb einer Immobilie (der Käufer hat eine „Information- / Recherchepflicht“), während im deutschen Rechtsverständnis der Verkäufer des Grundstücks eine vorvertragliche Aufklärungspflicht hat.

Ein Beispiel aus Chennai

Ein Grundstück, das als „Industrial Land“ klassifiziert und für die Nutzung als Produktionsstätte eines Automobilzulieferers zugelassen wurde, kostet EUR 50 pro qm. Das Nachbargrundstück, mit im Prinzip der gleichen infrastrukturellen Anbindung, kostet lediglich EUR 18 pro qm. Die Verlockung, nun das preisgünstigere Grundstück zu wählen, kann aber fatale Folgen haben, wenn nach Abschluss des Kaufes festgestellt wird, dass es sich um unklassifiziertes Land handelt und die von dem Käufer beabsichtigte Nutzung nicht im Nachhinein zugelassen wird.

Gewerbe-Immobilie & Industrie-Grundstück

Gewerbe-Immobilie & Industrie-Grundstück

Hier versuchen in der Praxis Käufer dann oftmals „Fakten mit Steinen“ zu schaffen („Wenn die Fabrik einmal steht, werde ich auch im Nachhinein die Zulassung erhalten“) oder beruhigen Verkäufer den unwissenden Käufer („Du musst erst anfangen zu bauen, bevor Du die Baugenehmigung beantragen kannst“). Hierbei wird aber meistens nicht berücksichtigt, dass man sich mit dieser Vorgehensweise vor den Behörden extrem angreifbar macht, was fast immer zu erheblichen Begehrlichkeiten bei den beteiligten Beamten führt (= Korruptionsrisiko) und / oder die Behörden „hart“ bleiben und die geschaffenen Strukturen dementsprechend wieder abgerissen werden müssen.

Dennoch ist es in vielen Fällen ganz einfach nicht mehr möglich, an einem bestimmten Standort „Industrial Land“ zu kaufen – ganz einfach, weil dort kein freies Industrial Land mehr vorhanden ist. In diesen Fällen muss der Käufer die entsprechend Risiken entweder eingehen oder aber dadurch verhindern, dass die (durchaus kostenrelevanten) Verhandlungen mit den beteiligten Behörden vor Abschluss des Kaufes durchgeführt werden bzw. eine „Ausstiegsklausel“ in dem Kaufvertrag eingearbeitet wird, der eine Rückabwicklung des Kaufes für den Fall der Nichtgenehmigung vorsieht.

Wie dem auch sei: „Industrial Land“ zu kaufen, gibt nicht nur Sicherheit, sondern treibt aufgrund des Gewinns an „Planbarkeit“ auch den Preis eines Grundstückes in die Höhe.

Grundbuchwesen: Unklare Eigentumsverhältnisse bei Grundstücken

Eine besondere Schwierigkeit stellt das nur mangelhaft entwickelte Grundbuchwesen dar. Zwar existieren oftmals lokale d.h. auf Dorf- oder Stadtebene geführte „Land-Register“, diese wurden und werden aber nicht mit vergleichbarer Genauigkeit wie in Deutschland geführt.  Daher ist vor dem Erwerb eines Grundstückes oftmals tatsächlich unklar, wie denn die genauen Eigentumsverhältnisse aussehen; kurz: Wer ist überhaupt Eigentümer und damit legitimierter Verkäufer?

Eine Prüfung der Eigentumsverhältnisse mindestens der letzten 30 Jahre ist dabei nicht nur schwierig und zeitaufwendig, sondern der Ausgang auch ungewiss. So ist es tatsächlich auch größeren internationalen Unternehmen passiert, dass sie mit der Bebauung Ihrer Immobilie begonnen haben und kurz vor Abschluss ein Landwirt aus dem Nachbardorf glaubhaft darlegen konnte, dass genau die Fläche, auf der das neue Verwaltungsgebäude nun steht, ihm von seinem Großvater vererbt wurde. Eine Situation, die nicht nur viele Nerven, sondern meistens auch erhebliches Geld kostet (Verhandlungen mit dem Landwirt).

„Qualität“ der Immobilie

Die „Qualität“ der Grundstücke unterschiedet sich deutlich stärker als in Deutschland. Mag es auch in Deutschland zentrale und erschlossene oder abgelegene und unerschlossene Flächen geben, sind die Disparitäten in Indien deutlich stärker ausgeprägt; kurz: 95% Indiens kommen als Standort von vornherein nicht in Frage!

Dieses hängt nicht nur davon ab, dass insbesondere die infrastrukturelle Anbindung (Fernstraßen etc.) in den meisten Regionen ungenügend ist, sondern hinzu kommen weitere Aspekte wie z.B.:

  • Verfügbarkeit von Management und Fachpersonal – wären potenzielle Fachkräfte aus anderen Landesteilen / Städten Indiens bereit, an den Standort umzusiedeln?
  • Erreichbarkeit für Kunden und Lieferanten, aber auch für Mitarbeiter des Stammhauses (z.B. wenn technische Unterstützung erforderlich wird)? Auch die Frage der Unterbringung (Hotel / Gästehäusern etc.) darf nicht übersehen werden.

Anzumerken ist in diesem Zusammenhang, dass die „Qualität“ der Immobilien nicht nur zwischen Ballungsraum und z.B. 400km entfernten Dörfern extrem nachlässt, sondern dass ein entsprechender Qualitätsabfall auch bereits innerhalb weniger Kilometer erfolgen kann.

Ein Beispiel aus Pune

Eine industrielle Fläche im unmittelbaren Umland von Pune kann momentan durchaus über 150 EUR pro qm kosten (z.B. im Industriegebiet Pimpri im Umfeld von Tata Motors und Daimler). Lediglich 48 km weiter südlich (immer noch im Umfeld von Pune) liegt ein vergleichbares Grundstück nur noch bei EUR 18 pro qm. Allerdings ist die verkehrsmäßige Anbindung hier bereits so schlecht, dass führende Mitarbeiter aus Pune nicht bereit sind, täglich zum Werksgelände zu fahren. Ein  anfänglich erhoffter Kostenvorteil dreht sich somit schnell in einen Standortnachteil.

Die vorgenannten Tatbestände führen in der Praxis zu folgenden Resultaten:

  1. Oftmals entscheidet nicht der Faktor „Preis“, sondern der Faktor „Verfügbarkeit“  über die Standortwahl eines Unternehmens.
  2. Die „Preisstruktur“ der Immobiliensituation Indiens ist nicht nur weitaus komplexer als von den meisten Außenstehenden angenommen, sondern wird aufgrund der vorgenannten Probleme noch weiter verstärkt, so dass eine „eins zu eins“-Vergleichbarkeit der Grundstückspreise in Indien nicht gegeben ist.

Für weitere Informationen zum Thema Immobilien in Indien und Aufbau einer Produktion stehen wir Ihnen gerne jederzeit mit einem individuellen Gespräch zur Verfügung.