Indien ist extrem Hierarchie-orientiert – auch in der Personalführung. Wie Sie Ihre indische Tochterfirma erfolgreich führen: Beispiele und Handlungsanweisungen zum Thema Führen in Indien.
Starke hierarchische Strukturen gehören in Indien zum Arbeitsalltag. Klassisches Führungsverhalten bedeutet in Indien, dass der/die Vorgesetzte Anweisungen gibt, die ohne Widerspruch von den untergeordneten Hierarchieebenen ausgeführt werden. Das ist aus unserer westlichen Sicht eine ganz und gar ungewohnte, um nicht zu sagen befremdliche Situation.
Darüber hinaus sind indische Mitarbeiter auch nicht daran gewöhnt, von einer anderen Person als ihrem direkten Vorgesetzten Befehle und Vorgaben zu erhalten. Nachfragen von dritter Seite gehören nicht zu ihrer „hierarchischen Routine“ und sie reagieren deshalb auch nicht darauf. Das folgende Beispiel soll dies verdeutlichen:
Warum Dinge in Indien oft nicht geliefert werden (ein Beispiel)
So kommt es zum Beispiel vor, dass die Assistentin des deutschen Finanzchefs völlig frustriert ist, weil sie auch nach 15 mal Nachfragen immer noch nicht die vereinbarten monatlichen Finanzberichte aus Indien erhalten hat. Aus indischer Sicht war sie allerdings für diese Aufgabe ganz einfach nicht ausreichend „befugt“.
Statt dessen hätte von Anfang an (!) auf Führungsebene vereinbart werden müssen, dass sämtliche Berichte nur und ausschließlich an diese Assistentin geschickt werden und dass diese auch über Sanktionen bei Nichteinhaltung von Terminvorgaben entscheiden darf.
Führung heißt in Indien: Aufgaben für Indien strukturieren, Zuständigkeiten klären & Sanktionen definieren
Indien hat seine eigenen Gesetze: was nicht ausdrücklich verboten ist, ist erlaubt. Alleine dieser Umstand führt zu komplexen Anforderungen an Vorgaben. Denn nicht nur das, was erreicht werden soll, muss vereinbart werden, sondern auch alles (und wirklich alles!), was verboten ist.
Voraussetzung ist dabei, die Aktivitäten vor Ort so zu strukturieren, dass klare Zuständigkeiten von allen Beteiligten gemeinsam entschieden und dann auch eingehalten werden (können). Diese Zuständigkeiten beziehen sich aber nicht nur auf die indische Niederlassung als solche, sondern es muss auch klar gestellt werden, welcher Mitarbeiter vom deutschen Stammhaus wann warum und mit welcher Befugnis mit welchen Mitarbeitern in Indien über welche Themen sprechen wird und darf.
Deutsche Manager riskieren durch sorglose Kommunikation oft einen Kontrollverlust im indischen Tochterunternehmen
Freundlich gemeinte, aber unbedachte Worte gehören zu den größten und leider auch häufigsten Fehlern in der Kommunikation, den deutsche Manager in Indien machen können. Hier ein Beispiel dafür, das in dieser Form leider keine Ausnahme darstellt:
Für die Vereinbarung eines firmeninternen Darlehens vom deutschen Stammhaus an die indische Tochtergesellschaft ist der deutsche Finanzchef verantwortlich. Er lehnt eine entsprechende Anfrage aus Indien ab, um den wirtschaftlichen Druck auf die indische Tochtergesellschaft aufrecht zu halten.
Kurz darauf reist der deutsche Inhaber der Firma nach Indien. Ertrifft anlässlich eines Abendessens zu Ehren des deutschen Gastes auch mit dem indischen Geschäftsführer zusammen. Dabei wird er am Ende dieses gemeinsamen Abendessens vom indischen Geschäftsführer quasi „zufällig“ und informell – ohne die Anwesenheit des deutschen Finanzchefs! – auf dieses Darlehen angesprochen. Der Firmeninhaber will die gute Stimmung nicht gefährden und verspricht, noch einmal das Gespräch mit dem Finanzchef zu suchen und zu überprüfen, ob „nicht doch noch was geht“.
Allein diese Zusage demontiert umgehend die Stellung des Finanzchefs und gefährdet seine zukünftige Akzeptanz durch das indische Management!
Der indische Geschäftsführer hat nämlich „gelernt“, dass er zukünftig den deutschen Inhaber „nutzen“ kann, um seine Anliegen beim deutschen Management „Erfolg versprechender“ zu platzieren…
Eine kleine Aussage mit einer dramatischen Wirkung! Durch eine einfache Antwort, wie beispielsweise „Bei uns ist nur der Finanzchef dafür zuständig, bitte sprechen Sie ihn an“ hätten die in unserem Fall leicht absehbaren zukünftigen Komplikationen verhindert werden können.
Klare Strukturen und eindeutig geregelte Kompetenzen sind in Indien ein Muss! Indische Mitarbeiter haben ein sehr feines Gespür für Kompetenzen und Machtverhältnisse in einem Unternehmen und sie sind „gnadenlos“ beim Auffinden von Schwachstellen.
Die aktive Steuerung des Indiengeschäfts ist IHRE Aufgabe!
An diesem Beispiel kann man erkennen, dass es bei der Führung und Steuerung von indischen Tochtergesellschaften nicht nur auf das Verhalten der indischen Mitarbeiter ankommt, sondern ebenso auf klare Strukturen und Kommunikationswege im deutschen Stammhaus.
Nicht selten sprechen viel zu viele (deutsche) Mitarbeiter mit viel zu vielen Mitarbeitern der indischen Tochtergesellschaft, ohne sich vorher und nachher untereinander ausreichend abzustimmen: Die Technik, der Vertrieb, das Controlling, der Firmenchef und so weiter und so fort. So agieren unterschiedliche Abteilungen, unterschiedliche Personen und unterschiedliche Interessen neben und unabsichtlich schon auch einmal gegen einander. Das wiederum bietet für die Mitarbeiter der indischen Niederlassung wunderbare Möglichkeiten, relevante Aspekte mit ganz unterschiedlichen Gesprächspartnern zu besprechen und im Bedarfsfall diese sogar gegeneinander auszuspielen.
Auch wenn der Vergleich hinkt und ein wenig unangemessen erscheint, passt das doch wunderbar zu einem Verhalten, das wir aus unserem privaten Umfeld gut kennen: Wenn Mama das Eis verbietet, frage ich halt den Papa. Und wenn auch der nein sagt, ist ja zur Not noch die Oma da. Und wenn es dann das Eis gab und die Mama sich aufregt, kann ich ja wunderbar sagen „Die Oma hat es aber erlaubt“ – und schon habe im schlimmsten Fall den Fokus von mir auf einen Streit der Mama mit der Oma verschoben.
Handlungsanweisung für die Praxis
So komplex es klingen mag, so einfach scheint die Lösung: Entweder es gibt nur noch „einen“ Kommunikationskanal im deutschen Stammhaus nach Indien, der alle Informationen bündelt. Oder (falls das nicht möglich ist), gibt es klare Zuständigkeiten: Wer darf Was – Wann – und mit Wem besprechen, und wie werden alle anderen betroffenen Funktionen informiert.
Klingt einfach, aber die Erfahrung zeigt, dass es über längere Zeit erhebliche Anstrengungen erfordert, bis sich auch wirklich alle Mitarbeiter (in Indien wie in Deutschland) konsequent an solche Vorgaben halten.
Gerne unterstützen wir Sie bei der Erarbeitung der „richtigen“ Kommunikationsrichtlinien im Umgang mit der indischen Tochtergesellschaft. Sprechen Sie einfach unseren Fachbereich WB human resources® an.