In diesem Artikel möchten wir auf ein spezielles Risiko im Indien Geschäft aufmerksam machen, welches immer wieder zu bösen Überraschungen und enormen Problemen führt. Die sogenannte Montagebetriebsstätte in Indien birgt insbesondere für Unternehmen im Anlagen- und Maschinenbau ein hohes immanentes Risiko.

Nach dem Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) zwischen Indien und Deutschland begründet eine feste Geschäftseinrichtung, durch welche die Tätigkeit eines Unternehmens ganz oder teilweise (in Indien) ausgeübt wird, eine Betriebsstätte.

Der Ausdruck ,,Betriebsstätte” umfasst gemäß DBA Art. 5 (2) (i) auch (!) eine Bauausführung oder Montage oder eine damit zusammenhängende Aufsichtstätigkeit, wenn ihre Dauer sechs Monate überschreitet.

Ein Beispiel aus der Praxis:

Ein deutscher Mittelständler verkauft eine Industrieanlage nach Indien. Über die Lieferung hinaus

  • erbringt das Unternehmen selbst mit eigenen Mitarbeitern Montageleistungen vor Ort – oder
  • das Unternehmen beauftragt ein indisches Subunternehmen mit der Montage (ein indisches Unternehmen wird also im Auftrag des deutschen Unternehmens vor Ort tätig) – oder
  • ein deutscher Mitarbeiter übernimmt die Aufsichtsfunktion für die Montagearbeiten in Indien.

Dauert die Laufzeit des Projektes mehr als 6 Monate, dann führt das steuerrechtlich zu einer Betriebsstätte!

Achtung Fristen: 180 Tage reichen schon aus, um das Limit zu überschreiten!

Gerade mittelständischen Unternehmen ist diese Frist nicht immer bekannt. Denn in anderen Ländern, wie z.B. Frankreich, Großbritannien, Polen oder in den USA greift der vergleichbare Mechanismus erst nach zwölf Monaten. Das deutsch-indische Doppelbesteuerungsabkommen regelt das aber strenger. Wenn die Bau- oder Montageaktivitäten in Indien länger als 180 Tage dauern, wird bereits von einer Montagebetriebsstätte mit den entsprechenden Vorschriften ausgegangen.

Elastische Definition von „Montagetätigkeit“!

Werk in Indien

Werk in Indien

Ein weiteres und häufig nicht erkanntes Risiko besteht darin, dass der Begriff „Montagetätigkeit“ von den indischen Behörden recht weit gefasst wird. Er umfasst nämlich nicht nur die eigentliche Bauausführung, sondern auch eine damit zusammenhängende Aufsichtstätigkeit.

Diese weite Auslegung bezieht sich nicht nur auf Mitarbeiter des Stammhauses, die in Indien vor Ort tätig werden, sondern es werden darüber hinaus auch indische Subunternehmen dazu gezählt, die im Auftrag des ausländischen Stammhauses diese Aufsichtstätigkeit vor Ort durchführen.

Genau dieser Fall kommt aber in der Praxis sehr häufig vor! Ein Beispiel: Ein indisches Unternehmen kauft eine Anlage samt Montage in Europa, wo also auch der Vertragspartner und Zahlungsempfänger sitzt. Dieser europäische Vertragspartner beauftragt dann wiederum ein indisches Subunternehmen (eventuell sogar die eigene Tochtergesellschaft), die eigentlichen Montage-Arbeiten vor Ort in Indien durchzuführen. Oft genug reist für das neue Projekt nicht einmal ein ausländischer Mitarbeiter nach Indien – und trotzdem hat das europäische Unternehmen nach indischem Recht dort plötzlich eine Montagebetriebsstätte!

Flexible Interpretation von Projektlaufzeit, Betriebsstätte und Besteuerungsgundlage

Im Sinne des indischen Steuerrechts entsteht eine Montagebetriebsstätte auch dann, wenn mehrere Einzelaufträge geografisch und wirtschaftlich zusammenhängen. Wenn zum Beispiel ein Unternehmen unterschiedliche Maschinen inklusive Montageleistungen zu unterschiedlichen Zeitpunkten in die gleiche Anlage liefert, wird schon von einem „Gesamtprojekt“ gesprochen, selbst wenn für jede einzelne Maschine einzelne Verträge bestehen.

Aber auch andere Einzelprojekte, welche die Frist von 180 Tagen für die steuerliche Begründung einer Montagebetriebsstätte NICHT überschreiten, können durch eine bereits bestehende Betriebsstätte negativ beeinflusst werden. Denn wenn die indische Finanzbehörde erst einmal eine Montagebetriebsstätte „erkennt“, bemüht sie sich in der Praxis eigentlich immer, auch alle anderen in Indien laufenden Projekte des Anlagenbauers dieser ursprünglichen Betriebsstätte zuzuordnen. Wirtschaftsprüfer sprechen von „infizieren“.

Weil das Unternehmen dann kein No PE (Permanent Establishment) Certificate mehr abgeben kann, wird ab diesem Zeitpunkt jeder indische Kunde, der Zahlungen an das ausländische Unternehmen leisten soll, sogleich sicherheitshalber 20 bis 40 Prozent der Auftragssumme einbehalten!

Im allerschlimmsten Fall kann die indische Finanzbehörde auch versuchen, nicht nur die Steuern für die Montage- bzw. Beaufsichtigungsleistungen zu veranlagen, sondern gleich auch noch alle Warenlieferungen (die exportierten Maschinen und Industrieanlagen) der Betriebsstätte zuzuordnen! Solches Gebaren sollte eigentlich durch das deutsch-indische Doppelbesteuerungsabkommen ausgeschlossen sein, doch die Willkür der indischen Behörden kennt häufig keine Grenzen.

How to: So sorgen Sie vertraglich vor!

Diese komplexe Sachlage zwingt europäische Anlagenbauer zu einer vorausschauenden und entsprechend sorgfältigen Vertragsgestaltung bei ihren Indien-Geschäften.

Eine der wichtigsten Maßnahmen ist dabei ein sogenanntes „Contract Splitting“ (Vertragssplitting):

  1. Die Warenlieferungen zwischen dem europäischen Lieferanten und dem indischen Kunden („Offshore“) müssen vertraglich separat von den Montageleistungen geregelt werden.
  2. Alle durch das indische Subunternehmen erbrachten Montageleistungen sind als „Onshore“-Geschäfte direkt zwischen dem Kunden und dem Montagedienstleister zu vereinbaren.
  3. Über entsprechende Zusatzvereinbarungen zwischen dem indischen Subunternehmen und deutschen Lieferanten sind operative und organisatorische Details zu klären.

Ohne ein sauberes vertragliches Rahmenwerk für Ihre indischen Montageprojekte zu entwickeln, laufen Sie Gefahr, unwissentlich und unbeabsichtigt eine Montagebetriebsstätte in Indien zu errichten – mit allen negativen Auswirklungen im Hinblick auf Besteuerung und Gerichtsbarkeit in Indien.

Gerne helfen wir Ihnen dabei – WB finance & compliance®