In den letzten Wochen mehrten sich die Anzeichen, dass der Zeitplan zur Einführung der Goods and Services Tax (GST) in Indien zum 1. April 2017 nun doch nicht eingehalten werden könnte.

Die Hauptgründe sind einmal die durch die „Demonetisierung“ verursachten Verwerfungen auf den Märkten. Am 8. November 2016 wurden die 500- und die 1000-Rupie-Scheine für ungültig erklärt, welche immerhin 85% des Bargeldumlaufes ausmachten. Zum anderen sind heftige innenpolitische Debatten zwischen der Zentralregierung in Delhi und einzelnen indischen Bundesstaaten entbrannt über die Verwaltung der neuen – zentralen – Steuereinnahmen und des nun fälligen Steuerausgleichs für die Landesregierungen, welche bis dato die Steuerhoheit besaßen.

Was für die Einführung der Goods and Services Tax im Juli spricht

Für eine Einführung der Steuer im kommenden Frühjahr wird die Zeit bereits knapp. Die folgenden Gründe sprechen vielmehr für eine Einführung der Goods and Services Tax zum 1. Juli 2017 (beziehungsweise für eine schrittweise Einführung in Etappen):

  • Auf Grund der Demonetisierung herrscht in Indien aktuell noch große Unruhe. Die Unternehmer sind ebenso wie die Konsumenten höchst verunsichert und insbesondere der Handel beklagt massive Umsatzeinbußen. Im täglichen Wirtschaftsleben und Finanzverhalten konnte der „Aam Admi“ (der Kleine Mann oder indische „Otto Normalverbraucher“) noch längst nicht zur Tagesordnung übergehen. Die Regierung täte gut daran, aus den Pannen bei der Umsetzung dieser äußerst umstrittenen Aktion zu lernen und ihren Bürgern eine kurze Atempause zu verschaffen, bevor sie nun den Unternehmen ähnlich unvorbereitet einen derart harten Einschnitt zumutet.
  • Das indische Finanzjahr endet bekanntlich mit dem 31. März. Die Wochen davor (und danach) sind erfahrungsgemäß immer recht turbulent. Die Einführung der Goods & Services Tax zum 1. April 2017 dürfte wohl allen CFOs bis hin zum Buchhalter einige schlaflose Nächte bescheren.
  • Die Anpassung der entsprechenden IT- und ERP Systeme in den Unternehmen – insbesondere bei den FI/CO Modulen braucht deutlich mehr Zeit, als dann zur Verfügung stünde. Wenn die endgültige Umsetzung und Einführung der GST noch im Januar im Eiltempo durch sämtliche Gremien gepeitscht würde, blieben den Unternehmen kaum zwei Monate für die technische Umsetzung und Abbildung der neuen Steuer in ihren Buchhaltungs-Systemen. Zwar stehen die Steuersätze (0%, 5%, 12%, 18% und 28%) fest – bis heute ist aber noch unklar, welche Produkte in welche Kategorie fallen werden und wie der Vorsteuerabzug in der Praxis funktionieren soll.
  • Neben diesen notwendigen operativen Maßnahmen in den IT Systemen oder bei den Compliance Prozessen beeinflusst die Einführung der Goods and Services Tax zahlreiche strategische Entscheidungen für die Supply Chains der Unternehmen in Indien.
    Da alle durch die GST eventuell entstehenden Steuervorteile an die jeweiligen End-Kunden weiterzugeben sind („Anti-profiteering Klausel“) und weil viele Steuern wegfallen oder ersetzt werden, ändern sich die Preise der eigenen Produkte. Unternehmen, und hier insbesondere jene die importieren, müssen ihre Wertschöpfungsketten dann neu überdenken und sich zum Beispiel folgende Fragen stellen:

    • Macht es unter der Goods & Services Tax (weiterhin) Sinn nach Indien zu importieren, oder ist es in Zukunft vielleicht wirtschaftlicher, lokal in Indien zu fertigen?
    • Sollen Lager und Service zentral oder (weiterhin) dezentral organisiert werden? Derartige Entscheidungen können unmöglich in zwei Monaten gefällt, geschweige denn umgesetzt werden.
      Eine wirtschaftsfreundliche Regierung will und darf Unternehmen nicht derart vor den Kopf stoßen.
  • Trotz allem muss die indische Regierung nun handeln. Auf Grund der vorgegebenen gesetzlichen Fristen muss die Goods and Services Tax noch VOR dem 16. September 2017 eingeführt werden. Sonst beginnt das ganze Prozedere wieder von vorne – und die GST kann dann nicht in absehbarer Zeit eingeführt werden. Premierminister Modi kann es sich wohl nicht leisten, dieses „Window of Opportunity“ für sein historisches Projekt zu verpassen. Die Einführung im Juli scheint daher im Grunde der erste und gleichzeitig auch der letzte mögliche Termin zu sein, die Goods & Services Tax Indien einzuführen.

In diesem Jahr wird der Haushaltsplan für 2017/18 schon am 1. Februar veröffentlicht. Daher wird der Januar in Bezug auf die GST besonders spannend. Spätestens zur Budget-Rede des Finanzministers Arun Jaitley sollte also sinnvollerweise feststehen, ob und wann – und in welchen Schritten – die Goods & Services Tax eingeführt wird.

GST Einführung in Indien: Lassen Sie sich nicht verrückt machen!

Goods and Services Tax Einführujng

Viel Wirbel um die Goods and Services Tax in Indien

Eines ist klar: Die Goods & Services Tax wird 2017 DAS große Thema im Indiengeschäft sein. Das ist aber noch kein Grund, sich jetzt schon von Politik, Medien und Beratern verrückt machen zu lassen.

Denn solange die endgültige Implementierung der indischen Mehrwertsteuer noch nicht festgeschrieben ist, macht es wenig Sinn, teure Unternehmens- & Steuerberater in dieser Sache zu beauftragen. Denn die wissen aktuell auch – noch – nicht mehr. Es gibt – verständlicherweise – bislang keine Erfahrungswerte, Best Practices und überdies noch zu viele offene Fragen, um schon an der Umsetzung im eigenen Unternehmen zu arbeiten. Daher halten auch wir uns mit Empfehlungen, Deutungen und Interpretationen zurück.

Unserer einziger Rat für Sie: Verfolgen Sie selbst aufmerksam die aktuellsten Nachrichten zum Thema Goods & Services Tax oder abonnieren Sie unseren GST-Alert. Wir halten Sie regelmäßig und objektiv über die neuesten Entwicklungen zur Goods & Services Tax in Indien auf dem Laufenden.

Und gehen Sie gelassen an das Thema heran! Schicken Sie Ihre Mitarbeiter ruhig auf entsprechende Seminare und identifizieren Sie potentielle Auswirkungen, aber treffen Sie keine vorschnellen Entscheidungen. Für die Implementierung in den ERP Systemen oder gar für die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle ist es im Augenblick noch zu früh!

Letztendlich werden die indischen Behörden bei formalen Fehlern in der Einführungsphase und während einer Übergangszeit ganz bestimmt nachsichtig sein – solange man nicht versucht „zu aggressiv“ Schlupflöcher zu finden und diese zu nutzen.