Es gibt gute Gründe, in Indien ein Joint Venture einzugehen. Ein potenter indischer Partner bietet nicht nur Know-How und Marktzugang, sondern bringt vor allem Kunden, die lokale Infrastruktur wie ein Vertriebsnetz, Personal und nicht zuletzt auch Kapital in das Gemeinschaftsunternehmen ein.

Um sicher zu stellen, dass die „Mechanik“ eines Joint Ventures auch wirklich funktioniert, arbeiten die Anwälte beider Parteien oft Monate – manchmal Jahre – am Joint-Venture Vertrag, an der Satzung (Articles of Association) und am Memorandum of Association.

Trotzdem mussten wir feststellen, dass etwa 50 Prozent aller deutsch-indischen Joint Ventures schon innerhalb der ersten drei (!) Jahre scheitern. Auf lange Sicht gesehen, überleben noch deutlich weniger Gemeinschaftsfirmen und die wenigsten davon sind wirtschaftlich erfolgreich.

deutsch-indische Joint Ventures

Wie lange überleben deutsch-indische Joint Ventures (in %)

Gründe für das Scheitern von Joint Ventures

Nur ganz selten liegt es an den geschlossenen Verträgen oder der Struktur des Investments. Fast immer ist nämlich der eigentliche Grund in den weichen Faktoren der interkulturellen Zusammenarbeit zu suchen. Daher ist es sehr bedauerlich, dass so viel Zeit und Geld in das gemeinsame Vertragswerk fließt, den weichen Faktoren von zwei diametral entgegengesetzten Geschäftskulturen aber so wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird. Besonders viel Konfliktpotential liegt in den folgenden Aspekten verborgen:

  • Kommunikationsprobleme bis hin zu Meinungsverschiedenheiten der Eigentümer in Bezug auf die Unternehmensstrategie. Oft genug kommuniziert einer der Partner seine wirklichen Ziele nicht klar und transparent oder verfolgt sogar eine „hidden agenda“.
  • Management-Stil insbesondere hinsichtlich der Personalpolitik: Leider wird den Human Resources in Indien noch keine allzu große Wichtigkeit beigemessen. Selbst hochrangigen Managern – ganz gleich ob sie nun aus Indien kommen oder aus dem Ausland – begegnen die indischen Eigentümer oft nur mit geringer Wertschätzung. Permanente Interventionen oder Führungswechsel belasten verständlicherweise die Beziehung zwischen dem lokalen operativen Personal und sorgen für Frustration.
  • Mangelnde Kompromiss-Fähigkeit: Die indische Kultur ist geprägt von Status- und Konkurrenzdenken. In Indien werden insbesondere die Söhne oft wie kleine Prinzen behandelt. Die Kinder von Unternehmerfamilien wachsen in privilegierten Verhältnissen und absolutem Überfluss auf. Die wenigsten von ihnen erhalten im Laufe ihrer Erziehung die Möglichkeit, Kooperation, Teilen und Kompromiss-Fähigkeit zu erlernen. Das wären jedoch die kritischen sozialen Fähigkeiten, die es im späteren Leben für ein funktionierendes Gemeinschaftsunternehmen braucht. Was im rein indischen Geschäftsleben vielleicht als Stärke gilt, verhindert im Falle eines internationalen Joint Venture eine Partnerschaft auf Augenhöhe.

Es soll hier nicht der Anschein erweckt werden, „die Inder“ seien per se für das Scheitern solcher Geschäftsbeziehungen verantwortlich. Wir möchten Sie aber sensibilisieren: Inder verhalten sich eben – in der Regel – nicht wie Europäer.

Ein Joint Venture in Indien ist immer ein INDISCHES Unternehmen

Ganz gleichgültig was in den Verträgen definiert ist, letztendlich handelt es sich bei einem Joint Venture immer um ein indisches Unternehmen mit deutscher/österreichischer/… Beteiligung – und nicht umgekehrt.

Hierin liegt aber eine weitere Unwägbarkeit für den Geschäftserfolg: Indische Unternehmen haben tendenziell den Hang zu einem laissez-fairen Umgang mit (Konzern)-Standards und rechtlichen Vorschriften. Eine gewisse Schlampigkeit (auf Hindi: chalta hai), zum Beispiel in der Buchhaltung, gilt fast als normal und geradezu als Ausdruck von Flexibilität. Man pflegt eine recht elastische Definition von Qualität oder zeichnet sich durch das Ausreizen von allerhand kreativen Möglichkeiten aus.

Nicht immer wird diese indische Flexibilität als Stärke verstanden. Überstrapaziert kann sie zur „roten Linie“ für den europäischen Partner werden. Im besten Fall kommen die Auswirkungen dieser Anpassungsfähigkeit relativ bald bei einem internen oder externen Audit ans Tageslicht. Im schlimmsten Fall aber erst, wenn es bereits zu spät ist und die JV-Partnerschaft vielleicht schon bröckelt. Denn oft fehlt über Jahre hinweg der kritische und strenge Blick von außen hinter die Kulissen des indischen Joint Ventures. Der ausländische Unternehmer vertraut vollständig dem indischen Partner, ohne selbst die Einhaltung der eigenen (!) Konzern-Standards und der eigenen (!) ungeschriebenen Gesetze zu überwachen.

Das Hauptproblem an einem Joint Venture ist, dass Sie sich als ausländischer Partner im Zweifelsfall nicht durchsetzen können. Als Gesellschafter sind Sie auf die Zusammenarbeit mit dem indischen Gesellschafter angewiesen. Egal ob dieser nun 1 Prozent oder 99 Prozent am Unternehmen hält, die Entscheidungshoheit bleibt – in der Praxis! – immer beim indischen Partner und man ist selbst handlungsunfähig. Denn Sie sind weit weg und daher schon alleine vom indischen Partner abhängig, da er die Informationshoheit, das Netzwerk vor Ort und tausende Möglichkeiten hat, Intransparenz zu schaffen. Vor allem wenn es die indische Seite auf Eskalation anlegt, haben Sie keine Chance zur Intervention.

Hierzu ein reales Fallbeispiel eines Joint Ventures

Deutsch-indisches Joint Venture

Die Brücke ist eingestürzt

Ein deutsch-indisches Joint Venture, das nie wirklich operativ geworden war, sollte endlich geschlossen werden. Es gab dort weder Mitarbeiter noch Umsatz und man hatte es hier fast schon ein wenig „vergessen“. Daher entschloss sich der deutsche Gesellschaft, das „Ding“ zu bereinigen und das Unternehmen zu schließen. Das JV-Unternehmen war aber über Jahre seinen Compliance-Pflichten (Jahresabschluss etc.) nicht nachgekommen und – ohne dass der deutsche Gesellschafter das überhaupt mitbekommen hätte – mit irgendwelchen Darlehen, Bürgschaften, sogar Personal und anderen Kosten belastet. Der indische Partner hatte diese schlichtweg nicht nach Deutschland berichtet. Daher stellte das Unternehmen mittlerweile ein nicht unerhebliches finanzielles und rechtliches Risiko dar und war de facto zahlungsunfähig.

Der indische Joint Venture Partner war mehr oder weniger abgetaucht, er reagiert einfach die kommenden Monate nicht mehr auf Emails oder vertröstete den deutschen Gesellschafter („next week“). Und so konnte über einen Zeitraum von mehreren Jahren (!) das Unternehmen gar nicht geschlossen werden, denn Voraussetzung wäre die Bereinigung der Altlasten (Compliance und Verbindlichkeiten) gewesen. Daran hatte der indische Partner aber kein Interesse. Und obwohl der deutsche Partner nichts anderes als das Ende des Unternehmens wollte, konnte er in der Praxis nichts ausrichten: Der Inder wollten die deutschen Anteile nicht kaufen, der Inder stand für die erforderlichen Gesellschaftertreffen, auf denen die Liquidierung hätte beschlossen werden müssen, nicht zur Verfügung usw. usw.

Lösungen erarbeiten: (persönlichen) Druck ausüben und (goldene) Brücken bauen

Druck auf JV Partner ausüben

Drohpotential gg. JV Partner aufbauen

Einen indischen Joint-Venture Partner können Sie also de facto nicht zu einer von Ihnen erwünschten Handlung zwingen – außer Sie verfügen über Druckmittel gegen ihn, wie z.B. eine saubere Dokumentation seiner Missetaten, die eine Klage gegen ihn ermöglichen, oder die Möglichkeiten, seine Geschäfte außerhalb des Joint Ventures unter Druck zu setzen. Erarbeiten Sie sich also – von Anfang an! – ausreichend Verhandlungsmasse und ein gewisses „Drohpotential“, um in Indien nicht nur stiller Beifahrer zu sein. Dieses ist uns Westeuropäern aber fremd, bedeutet es ja, dass man bereits „in den guten Zeiten“, die durch Euphorie und Freundschaft geprägt sind, sich bereits auf die „schlechten Zeiten“ vorzubereiten hat. Hier bestehen häufig moralische Befindlichkeiten / ein schlechtes Gewissen. Dieses können wir Ihnen aber beruhigt nehmen. Sie machen nichts, was nicht der indische Partner schon längst selbst getan hätte! Sie erzeugen lediglich Waffengleichheit.

Goldene Brücken bauen

Goldene Brücken bauen

Eine andere Strategie – wenn es noch nicht zur Eskalation gekommen ist –, ist es, „Goldene Brücken“ zu bauen. In Indien geht es, wie in allen asiatischen Kulturen, um Status und darum, auf gar keinen Fall das eigene Gesicht zu verlieren. Um sich eines indischen Joint Venture Partners zu entledigen – ohne das eigene Geschäft zu riskieren – können Sie ihm eine Goldene Brücke bauen. Zum Beispiel: „Du scheidest zwar aus dem operativen Geschäft aus. Aber gleichzeitig baue ich eine Stiftung für soziale Zwecke in Indien auf. Und Du darfst die Stiftung leiten und Dich in der Öffentlichkeit als Heilsbringer medienwirksam präsentieren. Oder wir gründen einen Branchenverband und Du wirst der Chairman“ etc. So etwas kann man natürlich nur umsetzen, wenn es noch nicht zum Streit gekommen ist und Sie ohne Zeitdruck Ihren indischen Partner darauf vorbereiten können.

Wenn Sie ein Joint Venture gründen wollen…

… fragen Sie sich zuerst einmal sehr kritisch, was denn der potentielle Joint Venture Partner genau einbringen will und ob Sie sich das nicht auch selbst einkaufen könnten. Wenn Sie sich nicht von einem indischen Partner abhängig machen wollen, ist eine 100-prozentige Tochtergesellschaft in jedem Fall der bessere Weg.

Joint Venture auf Augenhöhe

Joint Venture mit Exit Szenario

Läuft es schließlich doch auf ein Gemeinschaftsunternehmen hinaus, ist eine intensive Prüfung der Seriosität und Zuverlässigkeit des künftigen Partners unverzichtbar – eine banale Regel, die aber in der Realität erstaunlich wenig beachtet wird.

Prüfen Sie auch kreative Lösungen. Ein „Joint Venture auf Zeit“ könnte kurzfristigen Marktzugang und langfristige Unabhängigkeit vereinen. Dabei wird schon vor Beginn der gemeinsame Exit mit der zukünftigen Berechnungsmethode für den Preis der Anteile eindeutig und unveränderbar geregelt.

In jedem Fall sollte man – gerade wegen der hohen „Scheidungsrate“ – die mögliche Beendigung eines Joint Ventures von Anfang an immer mitdenken und unbedingt vorab regeln. „Leider werden Exit-Themen von deutscher Seite oft nicht angesprochen“, so die Erfahrung von Mike D. Batra, „weil die Leute denken, sie würden den indischen Partner vergraulen.“ Die Folge solcher Nachlässigkeit können langjährige Streitereien darüber sein, wer seinen Anteil wann an wen verkaufen darf – und zu welchem Preis.

WB Turnaround Management unterstützt europäische Unternehmen bei ihrer Exit Strategie in Indien