In unseren letzten Fachartikeln zum Thema „Joint Venture Indien“ haben wir die beliebtesten Gründe, welche vermeintlich für ein Joint Venture sprechen, bereits ausführlich diskutiert. Hier stellen wir ein weiteres Argument vor, das oft am Anfang von Joint Venture Plänen steht.

Ich muss nicht bei Null anfangen!

Die an sich ganz vernünftige Überlegung „Ich muss mit einem Joint Venture hier in Indien nicht bei Null anfangen“, gibt häufig den Ausschlag, um intensiver über die Gründung eines solchen Gemeinschaftsunternehmens nachzudenken.

Diese Aussage bezieht sich natürlich auf die Zusammenlegung zumindest eines Teils Ihrer Aktivitäten mit denen eines bereits existierenden indischen Unternehmens. Dabei ist es erst einmal unwesentlich, ob wir über die Zusammenlegung von Produktions- oder Vertriebsaufgaben oder anderer Abläufe sprechen. In jedem Fall stehen Sie damit vor einer ausgesprochen anspruchsvollen Aufgabe, denn Sie wollen natürlich sicherstellen, dass IHRE Standards eingehalten werden. Und damit müssen Sie am Ende doch „bei Null“ anfangen!

Hier werden Sie uns wahrscheinlich zustimmen: Eine bereits vorhandene Organisation zu ändern bzw. Ihren Vorstellungen entsprechend anzupassen, ist fast immer viel aufwändiger als ein kompletter Neubeginn. Indische Gesellschaften unterscheiden sich in ihrer Organisation, in ihrer Führungskultur, in den Erwartungen und Verhaltensweisen der Mitarbeiter und vielem mehr doch sehr deutlich von vergleichbaren Strukturen in deutschen Unternehmen. Ein „einfaches Zusammenlegen“ von Aktivitäten funktioniert nach unserer Erfahrung so gut wie nie.

Ergo: Auch ein Joint Venture entwickelt sich eben nicht von selber, vielmehr erfordert es einen enormen Aufwand an Kraft, finanziellem Einsatz und auch kulturellem Einfühlungsvermögen, der häufig auch deutlich höher ist als eine Firmengründung im Alleingang. Denn in diesem Fall können Sie jede Entscheidung unmittelbar und alleine treffen, während bei einem Joint Venture in jeder Frage ein Abstimmungsprozess mit Ihrem Partner erforderlich ist. Übersehen Sie nicht, dass es in einem Gemeinschaftsunternehmen genau die gleichen Notwendigkeiten wie in jedem anderen Unternehmen gibt. Machen Sie auf gar keinen Fall den Fehler, anzunehmen, dass Ihr indischer Partner alles weiß, alles kann und alles hat, was Indien betrifft. Auch indische Manager sind nur Menschen, auch wenn sie es ungern zugeben…

Der „Super-Inder“ als Joint Venture Partner

Aber auch wenn all dies gründlich bedacht und überlegt wurde, führt dann häufig doch der Zufall die Regie im indischen Geschäftsleben. Viele geschäftliche Kooperationen zwischen indischen und deutschen Unternehmen, und eben auch Joint Ventures, basieren auf einem eher zufälligen Zusammentreffen mit einem indischen Geschäftsmann.

„Ich habe einen tollen Inder kennen gelernt, wirklich überzeugend. Mit dem zusammen wird das ganz bestimmt ein Riesenerfolg“

Da können wir Ihnen nur gratulieren, dass Sie aus mehr als einer Milliarde Menschen den am besten qualifizierten, verlässlichsten, kreativsten und ehrlichsten Partner für Ihr geplantes Joint Venture Vorhaben getroffen haben.

Inder sind „Weltmeister der Selbstdarstellung“

Eines muss man den Indern schon lassen: Sie können sich „verkaufen“. Inder können und wissen nämlich alles und das auch noch viel besser… Kein Fachgebiet und keine Lebenslage, in der ein Inder nicht wüsste, wie es noch „richtiger“ zu machen ist.

Sie werden immer wieder auf Geschäftsleute treffen, die in einer ganz anderen Branche als Sie tätig sind und auch sonst keinerlei Bezug zu Ihrem Geschäft haben, die Ihnen aber dennoch mit dem Brustton der Überzeugung versichern, der ideale Geschäftspartner für Sie zu sein. Nebenbei bemerkt: Jeder Inder ist zumindest ein guter Bekannter, wenn nicht sogar ein enger Freund wichtiger Politiker, einschließlich des jeweiligen Premierministers.

Natürlich gibt es „tolle“ Inder. Und natürlich gibt es „tolle“ Chancen, die man einfach auch einmal ergreifen muss. Aber doch bitte nur, wenn die Annahmen und Behauptungen, die da auf einmal im Raum stehen, auch belastbar sind. Und das lässt sich ganz einfach feststellen: Unterwerfen Sie den Vorschlag des „indischen Traumpartners“ denselben Bewertungskriterien, wie einen Projektvorschlag, den Ihnen ein Geschäftsmann zu Hause in Deutschland unterbreitet.

Ohne einen ausführlichen und schriftlichen(!)Business Plan, der wirklich auf alle wesentlichen Aspekte eingeht, sollten Sie derartige Angebote keinesfalls ernst nehmen.

Und übrigens, es schadet durchaus nicht, auf diese Weise erhaltene Informationen über Personen und Unternehmen durch eine indische Wirtschaftsauskunftei verifizieren zu lassen.