Im Rahmen unserer Studie „Geschäftsklimaindex Indien“ mussten wir feststellen, dass 70 Prozent der deutschen Unternehmen ihre Vertriebsziele in Indien (deutlich) verfehlen. Aber auch abseits der Verkaufszahlen klagen viele Manager über die Mühen des Tagesgeschäfts in Indien. Insbesondere über die Einhaltung von Zeit- und Qualitätsvorgaben gibt es offensichtlich sehr unterschiedliche Auffassungen zwischen mitteleuropäischen und indischen Teams.

Bei einer internen Studie haben wir stichprobenartig deutsche und indische Mitarbeiter unserer Bestandskunden zum Thema Zielerfüllung befragt: „Wie viel Prozent Abweichung von Zeitvorgaben und Budget halten Sie für akzeptabel, um ein Projekt als erfolgreich zu bezeichnen?“. Deutsche Mitarbeiter hielten 12 Prozent unter dem gesteckten Ziel für akzeptabel. Im Gegensatz dazu werteten indische Teams im Durchschnitt eine Abweichung von 43 Prozent vom gesteckten Ziel noch als „vollen Erfolg“!

Zwischen Deutschland und Indien gibt es also enorme Unterschiede in der jeweiligen Auffassung von Qualität und Zeit. Die Herausforderung für europäische Unternehmen besteht nun darin, diese Lücke zu schließen. Das bedeutet, zweitklassige Qualität und nicht akzeptable Verzögerungen sowie das komplette Ignorieren gestellter Aufgaben in Indien zu verhindern.

Ansätze für eine Qualitäts- und Fortschrittskontrolle innerhalb des eigenen Unternehmens

Zum Thema Führung und Steuerung in Indien haben wir auf diesem Blog bereits mehrere Artikel veröffentlicht.

Es kann nicht oft genug betont werden: in Indien ist das Führen über Ziele und Deadlines nicht erfolgversprechend. Stattdessen müssen Sie als deutscher Unternehmer während des gesamten Ablaufs eines Projekts oder einer Aufgabe involviert bleiben.

Vertrauen ist gut. Kontrolle ist besser.

Merke: In Indien wird immer (!) Nachhaken erwartet. Im Gegensatz zu Europa gilt in Indien Kontrolle als sehr positiv. Ein Ausbleiben von Nachfragen von Ihrer Seite wird schnell als Desinteresse gewertet und mindert automatisch die Priorität, die einer Aufgabe beigemessen wird. Grundsätzlich gilt in Indien: Je mehr Sie sich einmischen, desto mehr wird auch erledigt. Nur kontinuierliche und sorgfältige Kontrolle sichert die Zielerreichung. Entsprechend mehr Aufmerksamkeit und Zeiteinsatz muss natürlich für das Management in Indien eingeplant werden. So erklären sich auch die vielen Management-Ebenen in indischen Organisationen – hier gibt es immer genug Personen, die auf jeder Ebene nachfragen und kontrollieren.

Bei Projektbeginn müssen alle Ziele und Aufgaben gemeinsam mit den beteiligten Mitarbeitern oder zumindest ihren direkten Vorgesetzten akribisch genau definiert werden. Und ganz besonders wichtig ist es, auch die drohenden Sanktionen bei Nichterfüllung oder Nichteinhaltung genau zu benennen. Denn eher früher als später werden auch die Grenzen der Möglichkeiten für Nachlässigkeit und Schlendrian ausgetestet. Folgen darauf nicht die besprochenen oder gar keine Sanktionen, haben Sie bereits verloren. Das gleiche wird passieren, wenn Sie versuchen, Qualitätsmaßstäbe und Sanktionen erst nachträglich einzuführen.

Maßnahmen beim Umgang mit externen Lieferanten.

Was für die Mitarbeiter im eigenen Unternehmen gilt, muss grundsätzlich auch auf Ihre externen Dienstleister angewendet werden: Klare und vollständige Definition der erwarteten Leistung sowie eine permanente und akribische Kontrolle des Projekt-Fortschritts.
Mehr als sonst irgendwo auf der Welt gilt nämlich in Indien das alte Sprichwort „Wissen ist Macht“. Insbesondere von fremden Personen und Dienstleistern werden Ihnen deshalb oft Informationen, Dokumente und Zusatzleistungen vorenthalten, die Ihnen per Vertrag eigentlich zustehen. Daher sollten Sie besser die sog. „Salamitaktik“ anwenden.

Wenn Sie nicht die wichtigen Dinge bekommen, die Sie brauchen und sich eine Situation wie oben beschrieben abzeichnet, führt kein Weg daran vorbei, möglichst bald selbst Druck auf den jeweiligen Dienstleister auszuüben. Denn nur, wenn der Dienstleister durch Sie zum selbst Betroffenen wird, werden Sie auch bekommen was Ihnen zusteht.

Je nachdem, wie sich die Sache entwickelt, können Sie sich eine Strategie überlegen, wie Sie Ihren Dienstleister in so einem Fall am besten zum „Leidtragenden“ machen können. Es muss unbedingt „Waffengleichheit“ zwischen den Parteien hergestellt werden.
Am besten funktionieren zumeist direkte „wirtschaftliche Sanktionen“: Im schlimmsten Fall müssten Sie sogar die Zahlungen an die andere Partei vorübergehend einstellen. Der Zweck heiligt hier wirklich alle Mittel und Ihrer Kreativität für legale Strategien, um Druck auf einen indischen Dienstleister herzustellen, sind eigentlich keine Grenzen gesetzt. Die Hauptsache ist, Sie kommen zu Ihrem Recht!