Der Lockdown legt das wirtschaftliche Leben auch in Indien lahm. So gut wie alle Unternehmen haben die Pforten geschlossen und die Mitarbeiter nach Hause geschickt. So weit wie möglich wird vom Home Office weiter gearbeitet. Nichtsdestotrotz sind die wirtschaftlichen Unsicherheiten überall hoch. In Europa schaffen die Regierung über Kurzarbeit kurzfristig Abhilfe. Aber welche Maßnahmen sind in Indien möglich bis sich die Wirtschaftslage wieder entspannt hat?
Gibt es die Möglichkeit der Lohnkürzung / Kurzarbeit?
Die Möglichkeit der Kurzarbeit ist (bislang) nicht im indischen Gesetz vorgesehen und entsprechend nicht als Instrument vorhanden. Von Seiten des Ministry of Labour & Employment wurde am 20. März ein Schreiben veröffentlicht, in dem Arbeitgebern explizit empfohlen wird, derzeit weder Lohnkürzungen noch Kündigungen vorzunehmen, um die Krise nicht zu verschärfen und den Arbeitnehmer durch die finanzielle Schwächung nicht zu demoralisieren. Ebenso kann der Arbeitgeber seine Belegschaft nicht dazu zwingen, den Jahresurlaub vorzuziehen.
Das indische Innenministerium (Ministry of Home Affairs) hat (nach wie vor) keine konkreten Maßnahmen erlassen. Vielmehr verbleibt die Bitte a) den Status Quo beizubehalten (Arbeitsverträge einzuhalten) und b) keine Lohnkürzungen innerhalb der nächsten 3 Monate vorzunehmen. Es gibt zurzeit keine verifizierten Informationen darüber, dass die großen indischen Unternehmen sich anders verhalten.
Innerbetriebliche Vereinbarungen sind möglich.
In den letzten Tagen vermehrten sich allerdings die Anfragen an uns, unter welchen Bedingungen Gehaltskürzungen vorgenommen werden können. Wir weisen daher nochmals darauf hin, dass die Behörden bislang keinen Anlass sehen, solche Kürzungen geordnet zu erlauben. Vielmehr verbleibt die dringliche Bitte, von Gehaltskürzungen und Kündigungen unter den aktuellen Bedingungen abzusehen. Es gelten also nach wie vor die normalen Bedingungen der Arbeitsverträge.
Wenn bereits absehbar ist, dass die finanziellen Mittel nicht mehr lange ausreichen werden, ist es natürlich eine Option, ein offenes Gespräch mit der indischen Belegschaft zu suchen und sich in beiderseitigem Einverständnis – im Sinne des Fortbestands des Unternehmens – auf Lohnkürzungen (für alle Positionen) zu einigen.
Aus unserem Netzwerk wurden bereits vereinzelte Beispiele von freiwilligem Lohnverzicht der indischen Belegschaft berichtet (bis zu ca. 1/3 des Lohns). Solche Vorschläge direkt aus der Belegschaft entstehen natürlich aufgrund von Ängsten vor Entlassungen.
Zwar erhalten wir weiterhin Berichte, bei denen in einigen Unternehmen das Top- und Mittelmanagement freiwillig auf Gehalt von bis zu 30% verzichtet. Gleichzeitig aber bieten zahlreiche Unternehmen vor allen den Niedriglohnmitarbeitern und Hilfskräften (INR 15.000 bis 30.000 pro Monat) einen Extrabonus oder temporär erhöhtes Gehalt an, da gerade diese von der Coronakrise in ihrem sozialen Leben besonders gefährdet sind.
Wichtiger Hinweis zu dem Thema Gehaltskürzungen und Entlassungen
Aufgrund zahlreicher Nachfragen wollen wir noch einmal wiederholen, dass durch den Arbeitgeber vorgenommene Gehaltskürzungen und Entlassungen (vorerst) in Indien zurzeit per Sonderdekret nicht erlaubt sind. Sollten Arbeitnehmer z.B. durch den Arbeitgeber unter Druck gesetzt werden oder Arbeitgeber direkt oder indirekt doch eine Gehaltskürzung oder Entlassungen von sich aus vornehmen, ist mit Strafverfahren durch den Labour Commissioner zu rechnen. Ob diese Vorgaben “nur” für Arbeiter / Mitarbeiter bis zu einem bestimmten Gehaltslevel Anwendung finden, werden wir in den kommenden Tagen klären.
Anders sieht es natürlich bei einem freiwilligen Gehaltsverzicht seitens der Arbeitnehmer aus, sofern dieser entsprechend dokumentiert ist und keiner der Arbeitnehmer (z.B. durch andere) gezwungen wird. Ebenso sollte – unserer Erfahrung nach – ein freiwilliger Gehaltsverzicht höchstens nur im Managementbereich akzeptiert, bei “einfachen” Angestellten aber unterlassen werden.
Diese Regeln per Sonderdekret gelten aber nur für die Dauer des Lockdowns (also bis einschließlich 03. Mai; Stand heute). Danach, so indische Arbeitsrechtsexperten, sei “alles” möglich, also auch Kürzungen und Entlassungen.
Lohnfortzahlung für Auszubildenden
Das Entwicklungsministerium hat am 31.3.2020 erlassen, dass alle Auszubildende oder (bezahlte) Praktikanten / Trainees etc., die aufgrund des Lockdowns ihre Ausbildung / ihr Training nicht abschließen können bzw. deren Abschluss sich entsprechend verzögern wird, ihren Lohn vom Arbeitgeber voll weiterbezahlt bekommen sollen. Diese Regelung gilt so lange, bis der Lockdown aufgehoben wird und die Ausbildung / das Training fortgesetzt werden kann, jedoch maximal für die Dauer von 6 Monaten ab Start des Lockdowns.
Weitere Fragen..?
Sollten bei Ihnen diesbezüglich Fragen entstehen (z.B. wie man einen solchen Lohnverzicht am besten und am sozialverträglichsten kalkulieren und dokumentieren sollte), sprechen Sie uns bitte telefonisch oder per E-Mail an.