Im Zusammenhang mit der Personalfrage in Indien wird immer wieder die hohe Fluktuation in den Teams als eines der größten Probleme genannt. So hört und liest man immer wieder, dass es Fluktuationsraten von 10 bis 20 Prozent pro Jahr (!) gibt und oft sind sogar noch höhere Zahlen im Umlauf. Der durchaus wahrnehmbare Umstand, dass indische Mitarbeiter bei der kleinsten Gelegenheit oder schon für minimale Gehaltssteigerungen den Arbeitgeber wechseln, scheint sich mittlerweile auch bei uns als Allgemeinwissen festgesetzt zu haben.

Aber: Inder sind in der Regel keine Job-Hopper!

Das beschriebene Phänomen mag im Kern für gewisse Branchen auch oft zutreffen – insbesondere in den Callcentern und durchaus auch im IT Bereich. Aber keinesfalls darf diese Auffassung für Indien verallgemeinert werden.

So ist Mitarbeiter Fluktuation im Maschinen- und Anlagenbau eigentlich kein ganz großes Thema. Die Loyalität zur Firma wird durch ganz andere Faktoren bestimmt als das Gehalt. Trotzdem hört man überdurchschnittlich oft, dass deutsche Unternehmen in Indien innerhalb kurzer Zeit mehrere Geschäftsführer „verbrauchen“ oder dass diese „aus finanziellen Gründen“ weitergezogen sind.

Die wahren Gründe, warum indische Manager das Unternehmen verlassen…

… erfahren Sie in der Regel nicht. Die Motive dafür sind jedenfalls in der Regel NICHT finanziellen Ursprungs. Eher wird dieses Argument so gut wie immer als beliebter Vorwand benutzt, mit dem sich Arbeitgeber wie Arbeitnehmer vor dem eigenen Gesichtsverlust schützen wollen.
Wir haben deshalb für mehrere Kunden einmal strukturiert nachgeforscht, was die wahren Gründe für das Ausscheiden ihres jeweiligen Managers in Indien waren (Lost-Employee Analyse). Dabei mussten wir feststellen, dass das Gehalt in keinem der untersuchten Fälle wirklich eine Rolle gespielt hat. Ganz im Gegenteil: Einige Manager hatten sogar zu Arbeitgebern gewechselt, die ihnen weniger bezahlten! Wir können daher das Vorurteil, Geld sei in Indien der primäre Motivationsfaktor, definitiv nicht bestätigen.

Das „Ablaufdatum“ eines indischen Geschäftsführers wird bereits bei dessen Besetzung definiert

Unserer Meinung nach ist das größte Problem in der Praxis, dass europäische Firmen sich bei der Personalsuche in erster Linie über die sachliche Beschreibung der zukünftigen Aufgaben des designierten Managers Gedanken machen, also die Stellenbeschreibung oder „Job Description“ und natürlich vor allem auch über das mögliche Gehaltspaket. Sie beschäftigen sich in der Regel leider weniger mit der Frage, ob der Kandidat auch wirklich zum deutschen mittelständischen(!) Unternehmen passt.

So kommt es dann auch, dass sogar erfahrene indische Manager, die schon erfolgreich für ausländische Konzerne gearbeitet haben, an der Unternehmenskultur eines deutschen Mittelständlers zerbrechen. Denn ein börsennotierter anglo-amerikanischer Konzern agiert in Indien natürlich deutlich anders als ein schwäbisches Familienunternehmen. Da wären dann entsprechend andere Persönlichkeiten gefragt. Was so einfach und logisch klingt, wird dennoch meist ausgeblendet.

Der entscheidende Fehler bei der Personalsuche in Indien

Vertreter

Vertrauen, Loyalität, Integrität und ein gemeinsames Werteverständnis sind Voraussetzung

Die Position des indischen Geschäftsführers oder eines anderen Managers wird letzten Endes ausschließlich nach sachlichen und damit objektiv erscheinenden Kriterien besetzt. Die Persönlichkeit, das Weltbild und das Wertesystem des indischen Managers spielen scheinbar für die Wahl keine Rolle und werden deshalb auch nicht beachtet. Die meist eingeschalteten indischen Personaldienstleister ignorieren diese Aspekte ebenfalls und mangels konkreter eigener Erfahrung sind sie auch gar nicht in der Lage, dies entsprechend zu beurteilen.

Aus unserer Sicht dürfen aber gerade diese subjektiven „kulturellen“ Kriterien in Indien nicht unberücksichtigt bleiben. Denn nur wenn der indische Geschäftsführer mit seiner ganzen Persönlichkeit auch zur Unternehmenskultur des zukünftigen Arbeitgebers und auch zur Persönlichkeit des Eigentümers passt, ist eine langfristige Zusammenarbeit in Indien möglich. Sonst kommt es häufig sehr rasch zum Bruch. Bei Unternehmen, die von ihrem Eigentümer geführt werden, ist der „kulturelle“ Aspekt bei der Besetzung strategisch wichtiger Positionen von essentieller Bedeutung.

Checkliste für die „kulturellen“ Aspekte eines Bewerbers

Wie sollte nun ein indischer Manager „beschaffen“ sein, damit er/sie auch zu einem deutschen Mittelständler passt? Wir haben für Sie eine Checkliste erstellt, die Ihnen als Leitfaden bei der Personalsuche dienen kann. Nur wenn Sie all diese Fragen guten Gewissens mit Ja beantworten können, ist eine Zusammenarbeit mit dem Kandidaten oder der Kandidatin ratsam:

  • Kann er/sie sich voll mit dem Produkt identifizieren?
  • Kann er/sie Ihre (Vertriebs-) Strategie auch umsetzen? Ist er/sie zielorientiert, proaktiv und geht er/sie vertrieblich strukturiert vor (und konzentriert sich nicht nur auf die „low-hanging fruits“)?
  • Kann er/sie die Unternehmenskultur des Stammhauses verinnerlichen, selbst leben und für Indien neu interpretieren?
  • Hat er/sie die Offenheit, sich auf europäische Standards einzulassen und Ihren Vorgaben bedingungslos zu folgen?
  • Sieht er/sie sich als Teil Ihres Unternehmens und kann sich entsprechend integrieren und dabei trotzdem neue lokal-spezifische Impulse einbringen? Oder agiert er/sie in Indien eher autark, ohne Sie und das Stammhaus einzubeziehen?
  • Bringt er/sie die Bereitschaft mit, sich mit Ihnen auch über Schwierigkeiten und Probleme auszutauschen und diese nicht zu ignorieren, zu verschleppen oder zu verschleiern?
  • Können Sie die Integrität des Kandidaten über Referenzen validieren?
  • Erkennt der Kandidat Ihr Angebot als langfristige Chance und lässt sich auch auf ein entsprechend Leistungs-bezogenes Gehaltspaket ein

Diese Checkliste gibt Ihnen eine Richtlinie bei der Auswahl Ihres zukünftigen indischen Geschäftsführers. Doch kann sie Ihnen natürlich ganz genauso bei der Suche nach anderen Mitarbeitern in Indien gute Dienste leisten – ganz gleich auf welcher Hierarchiestufe die Besetzung erfolgen soll.

Unser Fachbereich WB Human Resources unterstützt Unternehmen dabei, die o.g. Fragen im Detail richtig zu beantworten. Dazu braucht es aber nicht nur Methodik und reichlich Erfahrung bei der Personalsuche, sondern – wie immer in Indien – informelle Netzwerke als Informationsquelle sowie viel Gespür für die richtige „Melange“ für die entsprechende (Unternehmens)Kultur.