Werner HeesenSo gut wie jedes Unternehmen macht irgendwann im Laufe seines Indien-Engagements negative Erfahrungen mit dem eigenen indischen Management, respektive Mitarbeitern. Wie alle In(d)sider wissen, liegen in Indien Freud und Leid oft sehr eng beisammen. So kann der anfänglichen Euphorie bei den ersten Problemen relativ rasch Ernüchterung folgen. Nicht selten kippt die Stimmung bei Nicht-Erreichen von definierten (oder erhofften) Zielen in Frustration und mündet in pauschalen Verurteilungen „der Inder“, die gewisse Dinge einfach nicht „auf die Reihe bekämen“. Die Sollbruchstellen von Deutsch-Indischen Kooperationen treten häufig bei den üblichen verdächtigen Themen wie Qualität, Termin-Treue oder Verbindlichkeit auf. Da kennt das deutsche Management – zu Recht – keine Kompromisse. Auf der anderen Seite beklagen die indischen Entscheidungsträger oft unklare Zielformulierungen und mangelndes Verständnis für die jeweilige Situation vor Ort.

So gut wie alle Probleme lassen sich auf die unterschiedlichen Erwartungshaltungen sowie Weltanschauungen der Beteiligten zurückführen. Dass es da in regelmäßigen Abständen zu Missverständnissen kommen kann, liegt in der Natur der Sache und sollte daher nicht überraschen. Es gibt aber keinen Grund diese interkulturellen Unterschiede in kollektive Frustration und allgemeine Abneigung gegenüber Indien eskalieren zu lassen.

Damit genau das nicht passiert, müssen Sie die Annahme, dass Inder wie Deutsche denken/handeln/entscheiden (und umgekehrt) so schnell wie möglich verwerfen und das eigene Verhalten für Indien neu justieren.

Andere Werte (und Weltanschauungen)

Um in Indien erfolgreich eine Organisation zu führen, müssen Sie sich dem lokalen Umfeld anpassen und nicht umgekehrt. Denn die deutsche Firmenpolitik und -philosophie – so erfolgreich sie auch sein mag – einer indischen Einheit überzustülpen, wird mit ziemlicher Sicherheit nicht klappen. In Indien ticken nämlich die Uhren, und somit das Personalmanagement anders.

Obwohl sich die meisten Indien-Verantwortlichen irgendwann mal theoretisch mit den interkulturellen Unterschieden vertraut gemacht haben, bringen die wenigsten Manager diese interkulturelle Kompetenz bei der Organisationsplanung ein; Leider passiert dies ausgerechnet dann, wenn es darum geht in Indien die Verantwortlichkeiten, Strukturen, Prozesse und Kommunikationswege zu definieren oder die Steuerungs- und Kontrollmechanismen mit dem Mutterhaus aufzusetzen. Interkulturelles Knowhow ist kein Soft-Fact oder reines Kommunikations-Thema, sondern muss bei jeder strategischen und operativen Entscheidung als fester Bestandteil (mit)berücksichtigt werden.

Um das Verhalten Ihrer indischen Mitarbeiter zu verstehen, müssen Sie sich mit den Werten, Normen aber auch mit der Weltanschauung und Mythologie Indiens vertraut machen. Je besser Sie die fundamentalen kulturellen Unterschiede zwischen der linearen, strukturierten, logischen und (vermeintlich) eindeutigen „westlichen Welt“ und der indischen Kultur, die durch Zyklen, Relativität, Komplexität, Mehrdeutigkeit und Chaos geprägt ist, verstehen, desto effektiver werden Sie Ihre indischen Mitarbeiter führen können.

Andere Sitten – am Beispiel Führungsstil

Die indische Kultur wurde zum Beispiel Jahrtausende lang durch das Kastenwesen geprägt, was sich in einer stark hierarchischen, fast feudalen und Status-orientierten Gesellschaft manifestiert hat und zu großen Teilen immer noch so funktioniert. In der gleichen Zeit setzten sich in Mitteleuropa seit Jesus Christus, über die Aufklärung bis hin zu den Revolutionen im 19. und 20. Jahrhundert Werte wie Nächstenliebe, Gleichheit, Solidarität und persönliche Freiheit durch.

Aus diesen beiden absolut gegensätzlichen kulturellen Prägungen ergeben sich eklatant unterschiedliche Anforderungen an das Führungsverhalten im jeweiligen Land. Während man heute in Deutschland einen offenen, weitgehend partizipativen Führungsstil pflegt, muss in Indien wesentlich autokratischer agiert werden. Hierarchien und enge Führung werden von den indischen Mitarbeitern nicht als unangenehme Kontrolle empfunden, sondern eher als notwendiges Führungs-Instrument. Wenn also in einem kulturellen Umfeld, welches so stark hierarchisch geprägt ist, der Fokus auf Teamwork, Kooperation und Eigeninitiative gesetzt wird, ist das Scheitern „vorprogrammiert“.

Gut gemeint ist in Indien oft das Gegenteil von gut gemacht. Denn Indien funktioniert nach seinen eigenen Regeln. Diese zwingen Sie nicht nur Ihre Organisations-Strukturen und Prozesse sowie Zielvorgaben und Kontrollverfahren für Indien zu adjustieren, sondern auch aus der Vogelperspektive Ihre gesamte Kommunikations- und Personalpolitik in der Firmenzentrale zu überdenken.

weitere Informationen zum Thema Personalmanagement sowie Führung & Steuerung des Indien-Geschäfts

Personalmanagement als Kernkompetenz

Wegen der Wichtigkeit dieses Themas hat sich die Dr. Wamser + Batra GmbH entschieden, das Thema mit der gebotenen Sorgfalt anzugehen und im Fachbereich „Personalwesen“ neben „Personalsuche / Executive Search“ den weiteren Schwerpunkt „Führung und Steuerung“ indischer Mitarbeiter und Teams einzurichten. Der Schwerpunkt der Beratertätigkeit liegt in der kundenorientierten Problemanalyse für deutsche Unternehmen und der Erstellung praxisnaher Lösungen für den indischen Markt.

Werner Heesen, vormals „Director South Asia“ der Deutschen Lufthansa AG, verantwortet als Bereichsleiter den Bereich „Personal“ der Dr. Wamser + Batra GmbH. Er hat selbst 13 Jahre in Indien gelebt und in Führungspositionen gearbeitet und teilt im Folgenden einige seiner Erfahrungen und Ansichten zum komplexen Thema Personalführung in Indien.