Viele tausend europäische Unternehmen tummeln sich mittlerweile auf dem indischen Markt. Die meisten von ihnen agieren dort aber nicht mit einer eigenen Tochtergesellschaft, sondern mit der Hilfe indischer Handelsvertreter. Es gibt zahlreiche Konstellationen, wie dieses Modell umgesetzt wird:

Das Spektrum reicht hier von Einzelpersonen, welche als Repräsentanten eine Reihe von Marketing-Aufgaben übernehmen, bis hin zu gewerblichen Händlern, Distributoren oder Importeuren mit umfangreichen Aufgaben und Vollmachten.

Dieses Modell hat zahlreiche Vorteile gegenüber der Gründung einer eigenen Firma in Indien. Für viele Nischenplayer ist der zu Beginn erreichbare Teil des indischen Marktes einfach zu klein, um den Aufbau einer eigenen Struktur vor Ort zu rechtfertigen. Daher ist es verständlich, dass ein kleineres Unternehmen beim Markteintritt lieber einen Weg wählt, der mit deutlich weniger Risiken und Verbindlichkeiten verbunden ist.

Wenn Sie nicht aufpassen, haben Sie über Nacht eine steuerliche Betriebsstätte in Indien

In der Praxis findet man sich manchmal auch sehr schnell in einer solchen Konstellation wieder. So lernt zum Beispiel ein deutscher oder österreichischer Unternehmer auf einer Messe oder einer Indienveranstaltung eine vertrauenswürdig erscheinende Person kennen. Diese bietet ihre Hilfe an und signalisiert auch ein ernsthaftes Interesse, für das europäische Unternehmen den Markt in Indien aufzubauen. Dabei kann diese Person ebenso ein Händler sein, wie eine Privatperson – jedenfalls wird sie ziemlich bald sehr eng für das Unternehmen in Indien tätig – fast wie ein „eigener Mitarbeiter“. Daraus kann sich tatsächlich eine sehr gute geschäftliche Möglichkeit entwickeln, denn oft genug funktioniert dieses Modell so gut, dass aus der geplanten „Erst-einmal-starten-Phase“ mehrere Jahre werden.

Die wenigsten Unternehmen sind sich aber der immanenten Risiken solcher Modelle bewusst. Wir sprechen hier wir NICHT von dem Risiko, einen falschen Partner ausgewählt zu haben (siehe Artikel Achtung vor dem „Super-Inder“) und auch nicht von den allgemeinen Problemen in der Zusammenarbeit mit indischen Vertriebspartnern (siehe Artikel Handelsvertreter: suboptimale Vertriebsform für Indien!?)! Wir wollen uns vielmehr auf ein ganz spezielles steuerrechtliches Risiko konzentrieren: das Betriebsstättenrisiko.

Viele in der Praxis verwendete Vertriebs-Modelle für Indien führen nämlich zur (ungewollten!) Gründung einer steuerpflichtigen Betriebsstätte – ohne dass sich das europäische Stammhaus dessen bewusst wäre.

Beispiele für eine ungewollt gegründete Betriebsstätte:

  • Exklusiver Handelsvertreter: Arbeitet ein lokaler Agent (Unternehmen oder Einzelperson) ausschließlich für nur einen Auftraggeber gilt er in Indien als „abhängiger Vertreter“ des europäischen Unternehmens, was unmittelbar eine so genannte Vertreterbetriebsstätte zur Folge hat. Lesen Sie dazu unseren Fachartikel  Steuerliche Aspekte bei der Zusammenarbeit mit Agenten, Vertretern und Distributoren in Indien
  • Einzelperson / Repräsentant: Viele ausländische Unternehmen beschäftigen eine indische Einzelperson, die als Ansprechpartner oder Repräsentant vor Ort fungiert, ohne dass weitere Strukturen wie eine Tochtergesellschaft oder irgendein anderes eingetragenes Unternehmen bestehen. Siehe Mein Vertriebsmitarbeiter (bringt mich vor den Kadi)
  • Montage: Falls beispielsweise eine Anlage nach Indien verkauft wird und das europäische Unternehmen für einen Zeitraum von mehr als 6 Monaten direkt oder indirekt Montageleistungen beim Käufer erbringt, führt das zu einer so genannten Montagebetriebsstätte. Siehe Montagebetriebsstätte – erhöhtes Risiko für Maschinen- und Anlagenbauer in Indien
  • Eigene Tochtergesellschaft: Selbst wenn ein ausländisches Unternehmen bereits eine eigene Tochtergesellschaft vor Ort betreibt, kann trotzdem das Betriebsstätten-Risiko bestehen bleiben.
    Die entsprechenden Konstellationen können sein:

    • Eine Entsendung: Ein entsandter Mitarbeiters des europäischen Stammhauses bleibt länger als 180 Tage im Land. Mehr zu diesem Thema im Blogbeitrag Entsendung nach Indien – Erhöhtes Betriebsstätten-Risiko für ausländische Unternehmen.
    • Scheinbare Selbständigkeit der indischen Tochtergesellschaft: Dies erkennt man zum Beispiel daran, dass sie Verträge des europäischen Stammhauses akzeptiert, die ein unabhängiger Dritter so niemals akzeptieren würde.

Warum die Betriebsstätten-Problematik ein so wichtiges Thema ist.

Die Problematik der ungewollt begründeten Betriebsstätte in Indien beschäftigt uns ganz häufig in unserer täglichen Arbeit. Die indischen Behörden überraschen uns und unsere Kunden immer wieder mit neuen Interpretationen der Vorschriften und Umstände und zwingen uns zum Handeln.

Wenn wir von „Problematik“ sprechen, tun wir dies aus verschiedenen Gründen:

  1. Es entsteht eine indische Steuerpflicht – ohne, dass man von ihr Kenntnis besitzt.
  2. Es entsteht möglicherweise eine Steuerpflicht für Einkommen, welches bereits vor Jahren in Deutschland versteuert wurde.
  3. Es entsteht ein ungeplanter und schnell ins uferlose ausartender Verwaltungsaufwand.
  4. Das ausländische Unternehmen wird unversehens der indischen Gerichtsbarkeit unterworfen mit all ihren Auswüchsen, Unvorhersehbarkeiten, Begehrlichkeiten und den typischen „inflationären“ Schadensansprüchen.
  5. Aus einer solchen „Betriebsstätte“ resultieren auch Probleme bei allen Folgeaufträgen und Zahlungen in der Zukunft. Durch den geforderten extremen Dokumentationsaufwand, um eine Zahlung aus Indien zu erlangen (Stichwort „no PE declaration“) wird sich jede weitere Zahlung von dort unendlich verzögern oder wird nur mit extremen Vorab-Abzügen von 20-40%! geleistet, so dass sich ein Geschäft möglicherweise gar nicht mehr lohnt.

Handlungsbedarf & rechtliche Absicherung in allen Phasen

Deshalb ist es umso wichtiger, jedes für Indien ins Auge gefasste Vertriebsmodell hinsichtlich des steuerlichen Betriebsstätten-Risikos zu prüfen. Durch eine präzise Vertragsgestaltung können kritische Angriffsflächen, welche der indischen Finanzbehörde eine für Sie ungünstige Auslegung ermöglichen, vermieden werden.

Sorgen Sie vertraglich vor.

Sorgen Sie vertraglich vor.

Am besten vermeiden Sie das Betriebsstätten-Risiko natürlich gleich von Anfang an. Und selbst wenn solche Risiken erst seit kurzem bestehen, sind sie doch im Allgemeinen noch „gut kontrollierbar“ und können ohne erheblichen Aufwand bereinigt werden. Außerdem ist im Anfangsstadium die Wahrscheinlichkeit (hoher) Strafen eher gering

Wenn eine Konstellation aber bereits mehrere Jahre besteht, ohne dass sie entdeckt und angezeigt wurde, ist die denkbar schlechteste Strategie, hier einfach in gewohnter Form weiter zu machen. Durch die zunehmende Digitalisierung hat sich das Entdeckungsrisiko deutlich erhöht. Abwarten und „Chai trinken“ ist also äußerst riskant!

Von allem einmal abgesehen machen Sie sich über die Jahre hinweg auch höchst angreifbar und erpressbar. Ein unzufriedener ehemaliger Mitarbeiter oder auch ein Wettbewerber kann mit einem kleinen anonymen Hinweis an die Behörden bereits die ganze Aufarbeitung unkontrolliert in Gang setzen.

Unser Fachbereich WB finance & compliance® hilft Ihnen bei allen Fragenstellungen zum Thema steuerliche Betriebsstätte in Indien.