Die globalen Ereignisse der letzten zwei Jahre haben nicht nur kurzfristige Auswirkungen auf Unternehmen. Einschränkungen der Pandemie, Lieferengpässe, fehlendes (Roh-) Material, explodierende Kosten und nun auch weggebrochene Beschaffungs- und Absatzmärkte in Osteuropa. Aber auch Sanktionen und vor allem die Ungewissheit, welche Entwicklungen noch auf uns zukommen werden, beeinflussen die globalen Unternehmensstrategien. 


Plötzlich denken viele Unternehmen an Standorte, die bisher nicht im Fokus standen. Oder bisher noch gar nicht beachtet wurden. Die aber zeitgleich ein hohes Potenzial bieten – nicht nur für den Moment, sondern auch langfristig. Oder die Unternehmen beabsichtigen, bereits bestehende Aktivitäten in Wachstumsmärkten auszuweiten oder durch weitere Geschäftsaktivitäten zu ergänzen. 

Wir nehmen aktuell immer intensiver wahr, dass Unternehmen die Rolle Indiens als internationalen, wachsenden und zukunftsfähigen Markt und vor allem auch als Produktionsstandort erkennen. Immer häufiger suchen wir nach geeigneten Grundstücken für Unternehmen in den unterschiedlichsten Branchen: Maschinebau, Anlagenbau, Automobile und chemische Industrie. 

Die Standort- und vor allem Grundstückssuche ist nicht nur ein entscheidender Schritt im Aufbau der eigenen Produktions- und/oder Vertriebsstrukturen, sondern auch der Grundstein für die weitere Unternehmensentwicklung in Indien. Die Wahl des Standortes kann nicht willkürlich entschieden werden. Einige Fakten spielen eine entscheidende Rolle: Nähe/Entfernung zu Kunden und Lieferanten, Personalverfügbarkeit, Infrastruktur, Kosten etc.  

Die Verfügbarkeit von Grundstücken ist allerdings gering und die Preise auf einem auch im internationalen Vergleich sehr hohen Niveau. Dies gestaltet die Suche nach einem geeigneten Grundstück dementsprechend schwierig. Unternehmer:innen treffen dabei in der Regel auf sehr ähnliche Herausforderungen, an denen sie nicht selten scheitern. 

Viel Land und wenig Nutzfläche

Die Größe des Subkontinents mag zwar einen Außenstehenden zu der Annahme verleiten, dass die Verfügbarkeit an Grundstücken in Indien quasi „unendlich“ sei, schließlich liegt die Fläche bei 3.287.590 Quadratkilometern (im Vergleich dazu bietet Deutschland lediglich 357.340 Quadratkilometer). In der Realität ist die geeignete Fläche aber deutlich geringer. 

Der Großteil Indiens ist nach wie vor unbebaut und unerschlossen. Hierbei handelt es sich meistens aber um a) unklassifiziertes oder b) als „landwirtschaftliche Fläche“ klassifiziertes Land. Die indische Flächennutzungsplanung erlaubt dabei keine Ansiedlung von industriellen bzw. gewerblichen Nutzungen auf nicht oder anders klassifizierten Grundstücken. Zwar kann eine „Umklassifizierung“ vorgenommen werden, der zeitliche Aufwand ist dabei aber oftmals unplanbar und der Ausgang ungewiss.  

Welche Standorte kommen überhaupt in Frage, wenn rund 95% der Fläche nicht genutzt werden können? Welche Kriterien müssen beachtet und in die Such einbezogen werden?

Kurz: Ein solches Grundstück zu kaufen ist nach wie vor mit großen zeitlichen und finanziellen Risiken für den/die Käufer:in verbunden. So ist es in der Vergangenheit in Indien tatsächlich häufig vorgekommen, dass gekaufte Grundstücke nicht für die vorgesehene Nutzung zugelassen wurden und damit für den/die Käufer:in praktisch wertlos wurden. Hier versuchen in der Praxis Käufer:innen dann oftmals „Fakten mit Steinen“ zu schaffen oder beruhigen Verkäufer:innen den/die Käufer:in („Du musst erst anfangen zu bauen, bevor Du die Baugenehmigung beantragen kannst“). Dabei wird aber meistens nicht berücksichtigt, dass man sich mit dieser Vorgehensweise vor den Behörden extrem angreifbar macht, was fast immer zu erheblichen Begehrlichkeiten bei den beteiligten Beamten:innen führt (= Korruptionsrisiko).  

Grundstückssuche birgt Herausforderungen & Konfliktpotenzial  

Auf der Suche nach einem geeigneten Grundstück trifft man immer wieder auf Herausforderungen, mit denen man sich auseinandersetzen muss. Hier einige Beispiele: 

In der Vergangenheit wurden Grundstücksgeschäfte in Indien leider häufig auch zu Zwecken der Geldwäsche und der Steuerhinterziehung missbraucht. Dadurch kamen viele eigentlich interessante Grundstücke nicht infrage, da die (indischen) Verkäufer:innen bzw. Käufer:innen beispielweise hohe Bargeldanteile verlangten. Ein Geschäft, auf das sich europäische Käufer:innen und Verkäufer:innen nicht einlassen konnten und wollten. Wir selbst haben bei Grundstücksverkäufen erlebt, dass rund 80 % der Interessenten:innen das Grundstück nicht sehen, aber wissen wollten, welcher Teil der Summe bar gezahlt werden kann.

Inzwischen sind diese Bargeldgeschäfte in Indien zwar weitestgehend aus der Mode gekommen, u.a. weil die Ermittlungsbehörden so gut geworden sind, dass entsprechende Transaktionen einer besonderen Prüfung unterliegen. Zudem wurden relevante Gesetze und Währungsrichtlinien so angepasst, dass die Möglichkeiten zur Geldwäsche deutlich reduziert werden konnten. Nichtdestotrotz wird häufig über andere Wege, insbesondere durch private Verkäufer:innen, versucht, Zusatzeinnahmen zu generieren. Beispielsweise durch den Verkauf weiterer Leistungen, wie der Bauleitungsfunktion.

Ungeklärte Eigentumsverhältnisse und Abhängigkeiten

Eine besondere Schwierigkeit stellt das nur mangelhaft entwickelte Grundbuchwesen dar. Zwar existieren oftmals lokale, d.h. auf Dorf- oder Stadtebene geführte „Land-Register“. Diese wurden und werden aber nicht mit vergleichbarer Genauigkeit wie in Deutschland geführt. Daher ist vor dem Erwerb eines Grundstückes oftmals tatsächlich unklar, wie denn die genauen Eigentumsverhältnisse aussehen. Kurz gesagt: Wer ist überhaupt Eigentümer und damit legitimierter Verkäufer? 

Sind die Eigentumsverhältnisse geklärt? Ist ein Backgroundcheck nötig, um Verbindungen herzustellen und Komplikationen im Nachgang zu vermeiden?

Besonders schwierig wird es auch, wenn man bereits über eigene Teams vor Ort verfügt. Dieses wird in der Regel federführend in die Suche nach einem Grundstück eingebunden. Aufgrund persönlicher Interessen wird im schlimmsten Fall nur ein kleiner Ausschnitt der tatsächlich zur Verfügung stehenden Möglichkeiten präsentiert.

Im schlimmsten Fall wird aufgrund persönlicher Interessen der Beteiligten nur ein kleiner Ausschnitt der tatsächlich zur Verfügung stehenden Möglichkeiten präsentiert. Selbstverständlich fehlt dabei die Transparenz. Zusätzlich wird die Zeit als Druckmittel eingesetzt.

 

Grundsätzlich ist es zu vermeiden, in eine Abhängigkeit zu geraten. Sei es in Form von nicht vorhandenen alternativen Grundstücken – eine Tatsache, die der/die Verkäufer:in ausnutzen und den Preis künstlich in die Höhe treiben kann – oder durch das Fokussieren auf einen bestimmten Bundesstaat. Denn nicht immer ist der Wunschstandort auch tatsächlich der geeignetste.

WB Projekte: Durchgeführte Grundstückssuche

NETZSCH
Klaus Union GmbH